In der Armutsdiskussion werden immer wieder statistische Argumente in die Schlacht geworfen, um zu zeigen, wie schlimm die Armut inzwischen schon geworden ist. Aber ist das wirklich so, oder handelt es sich vielmehr um eine Art "gefühlter Armut"?
Die Definition der Armut beruht - wie alle Definitionen - auf einer Übereinkunft: Ein bestimmter Prozentsatz des Durchschnittseinkommens bestimmt die Grenze, ab der man sich - quasi von Amts wegen - als arm bezeichnen darf. Aber die Festlegung dieser Grenze ist völlig willkürlich. Und sie hat eine weitere Eigenschaft, die der Armutsindustrie sehr gelegen kommt: Ist die Grenze einmal festgelegt, dann bleibt sie auf absehbare Zeit unverändert, auch wenn sich das Durchschnittseinkommen nach oben bewegt. Das führt unausweichlich dazu, dass die Zahl der Armen ansteigt.
Dass die Wahl des Durchschnittseinkommens eine heikle Sache ist, lässt sich an einem einfachen Beispiel verdeutlichen: Nehmen wir an, wir haben einen Staat A, der nur aus 100 Einwohnern besteht. In A sind die Prinzipien des Kommunismus weitgehend umgesetzt worden, denn 99 Einwohner erhalten monatlich € 1000 überwiesen, während einer (der Staatsratsvorsitzende) € 2000 bekommt. Das Durchschnittseinkommen in unserem imaginären Gleichheitsparadies beträgt € 1010. Folglich verdienen 99% der Einwohner weniger als der Durchschnitt, während nur ein einziger Bewohner über dem Durchschnitt liegt. Wie ungerecht!
In unserem stark vereinfachten Beispiel gibt es also zwei mögliche Szenarien, was die Armut betrifft: Entweder man setzt die Armutsgrenze irgendwo unter dem Durchschnittseinkommen an: dann wird niemand diese Messlatte unterschreiten und es gibt also keine Armut in A. Oder man setzt die Grenze direkt mit dem Durchschnitt gleich: in diesem Fall wären 99% der Bevölkerung von Armut betroffen.
Somit lässt sich die Künstlichkeit einer derartigen Armutsdefinition leicht aufzeigen. Vor allem entscheidet die Lage der Messlatte ganz wesentlich darüber, wie viele Prozent der Bevölkerung das Armutskriterium erfüllen.
Den Propagandisten der Armutsindustrie werden solche Überlegungen allerdings weitgehend gleichgültig sein. Sie sind natürlich am uneingeschränkten Fortbestand ihres Gewerbes interessiert.
No comments:
Post a Comment