2014/12/04

Sturm im Volksheim

Will man die Aufmerksamkeit der Leser gewinnen, geht es immer gleich ums Ganze. So auch in einem Artikel über die aktuelle Regierungskrise in Schweden. Dort hat die rot-grüne Regierung eine Abstimmung verloren, was unter demokratischen Gesichtspunken so überraschend nicht sein sollte. Der Artikel macht jedoch aus der Sache gleich das Ende der "skandinavischen Konsenskultur". So erscheint das Ungemach gleich viel größer als es eigentlich ist.

Und wie in jedem richtigen Drama gibt es auch einen Schuldigen: die aus dem "rechtsradikalen" Milieu stammenden Schwedendemokraten. Die haben einfach nur umgesetzt, was sie immer schon angekündigt hatten, nämlich jeden Haushalt abzulehnen, der für mehr Einwanderung steht. Politiker die tun, was sie ankündigen - total ungewöhnlich.

Etwas düster-resignierend schließt der Artikel mit der Wahl zwischen zwei möglichen Szenarien:
  
Entweder in einem belgischen Szenario, wo sich extrem unterschiedliche Parteien zusammenraufen müssten, um eine letztlich sehr fragile Koalition zu bilden. Das würde die populistischen Parteien weiter stärken. Die Alternative wäre das österreichische Szenario, der Pakt mit dem rechtspopulistischen Teufel.
Politisch scheint Schweden also auf dem Weg zu sein, um ein ziemlich normales europäisches Land zu werden. Das ist kein gutes Zeichen.

Der Redakteur, der diesen Artikel verfasste, ist noch relativ jung, und man kann verstehen, dass er seine Sprachwahl dem vorherrschenden Mainstream anpasst. Ein falsches Wort, und man ist seinen Job los. Da versteht die politisch-korrekte Klasse keinen Spaß. Es wäre nicht der erste derartige Fall.

Allerdings hat diese Krise auch eine Vorgeschichte und eine Reihe begleitender Umstände, über die sich der Redakteur ausschweigt. So wird etwa nicht erwähnt, dass die Regierung in den letzten Wochen deutlich an Beliebtheit verloren hatte. Die Mitglieder der Regierung waren vielleicht auch nicht gerade volksnahe Sympathieträgerder. Der grüne Minister für Wohnbau und Stadtentwicklung Mehmet Kaplan, der seinerzeit auf dem "Schiff nach Gaza" unterwegs war, forderte einmal "mehr Moscheen" in Schweden. Ob das in der ansässigen Bevölkerung viel Begeisterung ausgelöst hat, ist nicht bekannt.

Und natürlich ist da noch das Thema Immigration. Nicht nur, dass es in etlichen Städten No-go-areas gibt, einige Kommunen sind mit dem Ansturm immer neuer Zuzügler finanziell und administrativ völlig überfordert. Hier liegt wohl bei näherer Betrachtung der Grund für das starke Abschneiden der Schwedendemokraten. Tja, und von da geht´s dann weiter zur Abstimmungsniederlage der rot-grünen Regierung.



2014/11/26

Muss sich Wissenschaft rechtfertigen?

Wir leben in Zeiten, da alles (oder fast alles) einer Rechtfertigung bedarf. Will man auf seinem eigenen Grund und Boden einen Baum fällen, so ist das ohne stichhaltige Gründe (über deren Stichhaltigkeit Vater Staat höchstselbst entscheidet) nicht möglich.

Der Rechtfertigungszwang macht auch vor der Wissenschaft nicht halt. Und auf den ersten Blick scheint das eine gewissen Plausibitlität zu besitzen. Schließlich fließen Millionen, mitunter Milliarden an öffentlichen Geldern in Forschungsprojekte. Dem Steuerzahler zu vermitteln, man gebe dieses Geld nur zu dem Zeck aus, um die persönliche und professionelle Neugier der Wissenschaftler zu befriedigen, scheint wenig aussichtsreich.

Aber so ist es nunmal. Wissenschaft ist in erster Linie dem Erkenntnistrieb des Menschen geschuldet. Oder meint irgend jemand, dass die griechischen Atomisten vor zweieinhalb Tausend Jahren ihre Ideen nur entwickelt haben, weil sie sich davon eine Steigerung des (griechischen?) Bruttoinlandsprodukts erhofft haben? Weil sie das antike Griechenland wettbewerbsfähiger, innovativer machen wollten? Nein, sie hingen ihren philosophischen Spekulationen nach, weil sie das Spiel der Gedanken liebten. Natürlich versuchten sie, plausible Argumente für die Wahrheit ihrer Weltsicht zu finden.Die reale Welt als Spiegel ihrer Spekluationen.

Aus dem Spiel der Gedanken ist inzwischen ein Spiel mit mehr oder weniger teuren Geräten geworden, was jedoch nichts am Grundlegenden ändert. Auch hier wird gespielt, ausprobiert, verworfen - und weitergespielt.

In manchen Bereichen ist Forschung in der Tat sehr zweckorientiert. Man denke an die Erforschung von Krankheiten wie Ebola oder Vogelgrippe. Hier ist die Sinnhaftigkeit für jeden, auch den nicht Betroffenen, unmittelbar einsichtig. Aber nicht jede Forschung lässt sich auf diese praktische Anwendbarkeit herunterbrechen.

Die Grundlagenforschung dient zu allererst dem Zweck, Erkenntnis zu gewinnen. Zu wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält, ist nicht nur ein faustisches Motiv, sondern der Beweggrund aller wahren Wissenschaftler. Als Einstein vor über hundert Jahren seine bahnbrechenden Arbeiten über die Relativitätstheorie (und andere Gegenstände) veröffentlichte, ging es keine Sekunde darum, mit diesen Erkenntnissen das Leben der Menschheit zu verändern. Für Einstein war es spannend, ein ganz bestimmtes grundlegendes Problem zu lösen. Ganz ähnlich verhält es sich mit Kepler, Galilei, Newton, Heisenberg und all den anderen, die am Gebäude der neuzeitlichen Wissenschaft mitgewirkt haben.

Als Heisenberg sich aufmachte, ein grundlegendes Problem der damaligen Atomphysik zu lösen, ging es ihm in erster Linie darum, unser Verständnis vom Aufbau der Materie voranzubringen. Heraus kam die Quantenmechanik. Dass knapp hundert Jahre später die Funktionsweise von Millionen von Smartphones auf eben diesen Erkenntnissen beruhen würde, war für ihn natürlich nicht absehbar.

Ebenso verhält es sich mit der Astronomie und der Weltraumfahrt. Warum wollen wir immer tiefer ins Weltall hinausblicken? Warum wollen wir zu anderen Himmelskörpern reisen? Ganz einfach, weil es spannend ist. Weil es eine Herausforderung ist. Und ganz nebenbei können dabei Dinge herauskommen, die Nutzen für die Menschheit haben. Können, nicht müssen!

Ich finde es immer ein bisschen affig, wenn in den Medien über Grundlagenforschung berichtet wird und man sogleich eine Begründung, die eigentlich eine Rechtfertigung ist, mitgeliefert bekommt: Das LHC am CERN macht Experimente, die es erlauben, den Ursprung des Universums zu verstehen. Die Raumsonde Rosetta fliegt zu einem Kometen, um etwas über den Ursprung des Lebens in Erfahrung zu bringen. Wirklich? Woher will man das im Voraus wissen?

Ich vergleiche das gelegentlich mit der Besteigung eines Berges. Angenommen ich bereite mich auf die Besteigung des Mount Everest vor, und jemand fragt mich, warum ich das mache. Wenn ich nun antwortete, ich mache das nur, um herauszufinden, wie hoch meine Blutdruckwerte auf dem Gipfel sind, wird mich mein Gesprächspartner vermutlich mit großen Augen ansehen. Natürlich ist eine derartige Argumentation blanker Unsinn. Wenn ich auf den Mount Everest will, dann einzig und allein deshalb, weil ich Lust dazu habe. Weil ich eine persönliche Herausforderung suche.

Nicht viel anders ist es bei der Wissenschaft. Man muss nicht ständig mit dem Ursprung des Lebens oder des Universums argumentieren, um ein neues Teleskop oder eine Weltraummission zu rechtfertigen. Das sind vorgeschobene Gründe, und aus meiner Sicht auch völlig unnötig.

Warum ich das meine? Nun stellen wir uns vor, die aktuelle Rosetta-Mission liefert völlig neue und überraschende Erkenntnisse über den Ursprung des Universums, die alles Bisherige über den Haufen werfen. Angenommen, die gewonnen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass das Universum tausend Mal älter ist als bisher angenommen. Dann wäre - im Sinne der populären Rechtfertigung - alles in Butter.

Wenn allerdings der - deutlich wahrscheinlichere - Fall eintritt, dass bestenfalls die bestehende Theorie bestätigt wird, dann haben wir sozusagen nichts gewonnen. Wir wissen also nicht mehr als vorher. Und die Rechtfertigung fällt streng genommen in sich zusammen.

Das Bedürfnis zur Rechtfertigung ist keineswegs auf öffentlich finanzierte Forschungsprojekte beschränkt. Auch solche, die Geld von Privaten einsammeln wollen, stellen neue Erkenntnisse in Aussicht, die über das bislang Gewusste deutlich hinausgehen sollen. Ein britisches Konsortium bemüht sich zur Zeit darum, Spendengelder für eine Mondmission in 10 Jahren einzuwerben. Auch hier wird die Nummer mit dem Ursprung unseres Planeten und des Mondes gespielt:
Lunar Mission One will make a huge contribution to our understanding of the origins of our planet and the Moon,
So jedenfalls einer der Organisatoren. Nun denn, wenn das für viele Grund genug ist, ihr Portemonnaie zu öffnen. Warum auch nicht?

Das Problem, das ich dabei sehe, ist, dass dieses Rechtfertigungsbedürfnis eines Tages kontraproduktiv wird. Denn Wissenschaft ist zum allergrößten Teil ein Routinegeschäft. Vieles, allzu vieles, was Wissenschaftler machen, endet im Nirvana. Viele, allzu viele Erkenntnisse sind lediglich Trippelschritte. Daran ist nichts Schlechtes. So funktioniert Wissenschaft nun mal. Es ist wie bei Startups, wo bekanntlich auch der weitaus größte Teil nach kurzer Zeit verschwindet. Und nur ganz wenige Projekte haben das Zeug zum großen Durchbruch.

Nehmen wir nun an, irgend jemand führte ein umfangreiches Audit durch, um herauszufinden, wie viele bahnbrechende Resultate die Wissenschaft tatsächlich gezeitigt habe. Das Ergebnis dieses Audits wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr enttäuschend. Denn die meisten hochgesteckten Ziele werden nie erreicht. Nun könnten daraus manche den Schluss ziehen, die Wissenschaft sei ihr Geld nicht wert. Eine Kettenreaktion wäre die Folge, an deren Ende nur noch ein winziger Rest an Forschungsagenden übrig bliebe.Unsere Welt wäre ärmer gworden. Nicht im materiellen Sinn, wohl aber im geistigen.

Ist es das wert? Ich meine nein. Denn auch wenn die meisten wissenschaftlichen Resultate auf dem Schrotthaufen der Geschichte landen, so müssen wir uns dennoch die Frage stellen, wo wir ohne Wissenschaft wären. Im Mittelalter. Bestenfalls.




 



2014/11/22

Energie sparen für Dummies (3)

Jetzt also auch im Schlafzimmer. Energie sparen zur Klimarettung. Aber was soll´s. Sex sells.
Die Botschaft lautet: Wenn jeder deutsche Haushalt nur 5% weniger Strom nutzt, usw. usw. Das übliche Geschwurbel.

Aber: Ist das mit Sex allein zu machen?

Schätzen wir den jährlichen Stromverbrauch eines Haushalts zu 4000 kWh ab. Dann sind 5% davon 200 kWh, also eine gute halbe Kilowattstunde pro Tag.

Eine halbe Kilowattstunde wiederum entspricht der Energiemenge, die eine 500 Watt-Lampe während einer Stunde verbraucht. Haben Sie, geehrte Leser, jeden Tag einstündigen Sex im Schein einer 500 Watt-Lampe?

Oder lassen wir es gemütlicher angehen. Die halbe Kilowattstunde lässt sich auch bei fünfstündigem Sex im Schein einer 100 Watt-Lampe verbrauchen. Jeden Tag, wie gesagt.

Welche Variante bevorzugen Sie? Oder liegen Sie irgendwo in der Mitte? Also zum Beispiel 2 Stunden mit einer 250 Watt-Birne.

Wie dem auch sei. Für ein aktives Sexualleben ist so jedenfalls gesorgt. Aber bitte: Licht aus!

Und wenn Sie nicht so oft und aktiv den fleischlichen Genüssen im Dunkeln frönen - dann wird das eben nix mit der Klimarettung.


2014/11/19

Energie sparen für Dummies (2)

Eigentlich wollte ich aus diesem Thema keine Serie machen. Aber wenn ich bei jeder Gelegenheit eine Steilvorlage bekomme, wer weiß, was noch draus wird....

Diesmal also SPON. Milder Winter: Energieverbrauch in Deutschland deutlich gesunken ist ein Artikel überschrieben, dessen Aussage den Kenner der Materie zwischen Lachen und Weinen schwanken lässt.

Zunächst einmal geht es um eine "Hochrechnung" (klingt irgendwie nach Landtagswahl oder so) für das laufende Jahr 2014. Aufgrund des milden Winters war der Primärenergieverbrauch für ersten 9 Monate geringer als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, und zwar um knapp 7 %. Wer hätte das gedacht! Es ist wärmer, und wir heizen weniger. Unglaublich.

Aber damit nicht genug. Ausgehend von dieser Erfolgsmeldung wird dann kühn auf das ganze Jahr hochgerechnet. Und mit etwas Glück könnte der Primärenergieverbrauch um 5% geringer sein als 2013. Naja, warten wir mal das Jahresende ab.Ich spare mir jeglichen Kommentar zum weiteren Verlauf des Artikels, der eher den Charakter eines Propagandastücks für die Energiewende hat.

Stattdessen möchte ich auf einen Umstand hinweisen, der bei Leuten, die "irgendwas mit Medien" machen, wohl nicht unbedingt zum Grundverständnis gehört. Wer sich Zeitreihen des Energieverbrauchs anschaut, etwa bei der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen, wird rasch festellen, dass der Verbrauch von Jahr zu Jahr teils beträchtlichen Schwankungen unterliegt. Nur schlichte Gemüter meinen, diese Schwankungen hingen davon ab, wie lange das Licht in der Küche brennt.

Die wesentlichen Einflussgrößen für den Energieverbauch sind neben der Bevölkerungszahl die ökonomische Entwicklung (Konjunktur) und das Wetter. Insbesondere letzteres hat einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss.

Es ist deshalb etwas unsinnig, nur auf die Gesamtverbrauchszahlen zu schielen, ohne die Wettereinflüsse zu berücksichtigen. Die AG Energiebilanzen bietet in ihren umfangreichen Tabellenwerken auch Werte für den Energieverbrauch pro Kopf sowie bereinigte Verbrauchswerte, die genau diesen witterungsbedingten Einflüssen Rechnung tragen. Und es ist genau dieser Wert, der witterungsbereinigte Energieverbrauch pro Kopf, auf den es ankommt. Und diese Werte schwanken  im Allgemeinen deutlich weniger als die nichtbereinigten Werte. Ja, es sind sogar gegenläufige Ergebnisse möglich. Dies ist dann der Fall, wenn der nichtbereinigte Verbrauchswert eine Abnahme suggeriert, während der bereinigte Wert tatsächlich einen höheren Pro-Kopf-Verbrauch ausweist.

Deshalb abwarten und Tee trinken. Irgenwann im nächsten Jahr werden wir es genau wissen, wie gut 2014 gelaufen ist. .

2014/11/15

Was wir von Philae lernen können

Nun, es ist zweifellos mehr als respektabel, eine Raumsonde auf einem bislang praktisch unbekannten Gesteinsbrocken in astronomischer Entfernung zu landen. Hier gibt es eben nicht den Luxus, sich einen Landeplatz aussuchen zu können, wie das auf unserem erdnahen Trabanten der Fall ist.

Andererseits sollte ebenso klar sein, dass ein Komet auch sonnenabgewandte Seiten hat. Tja, und wenn Solarzellen im Schatten sind, wird das eben nichts mit der Solarelenergie. Eigentlich nicht das, was man im Volksmund als rocket science bezeichnet. Daran hätte man schon vor Abflug der Sonde denken können. Und dass eine Batterie nicht ewig hält, hat man auch schon das ein oder andere Mal gehört.

Ich frage mich, warum man Philae nicht mit einem kleinen Nuklearreaktor ausgestattet hat, wie das bei anderen Satelliten auch der Fall ist. Dann hätte man in aller Ruhe die nächsten paar Jahre Funkverbindung zur Sonde gehabt. War es die Furcht vor einem Tsunami, die bei dieser Entscheidung Pate stand? Oder gab es handfeste technische Gründe, die gegen einen Reaktor sprachen?

Eins ist jedenfalls sicher: Im Kometenorbit ist die Energiewende gescheitert.


2014/10/25

Solarpanele auf der grünen Wiese

Wahrlich kein schöner Anblick sind reihenweise aufgestellte Solarpanele auf der grünen Wiese. Das wird mittlerweile auch den Briten klar. Die britische Umweltministerin nennt die Dinger schlicht eine Verschandelung der Landschaft. Womit sie zweifellos recht hat. Außerdem werde damit Platz für die landwirtschaftliche Nutzung verschwendet. Auch dem ist zuzustimmen, wenngleich die Produktionsausfälle sich bislang in Grenzen halten dürften.

Dennoch: Wo auch immer Solarpanele auf Wiesen oder Feldern stehen, wächst nichts mehr so wie früher. Insofern ist die Aussage der Solar Trade Association
it was wrong to argue that energy schemes were in conflict with or displacing food production
blanker Unsinn. Oder wo wächst der Weizen unter dem Solarmodul? Aber was wird nicht alles geglaubt, wenn es um die "gute Sache" geht.

Bedenklich wird es, wenn landschaftlich anmutige Gegenden von Solarzellen verunstaltet werden. Zu besichtigen unter anderem im schönen Allgäu. Es würde mich nicht wundern, wenn sich dies negativ auf den Tourismus in der Region auswirkte. Schließlich kommen die Leute ja gerade wegen der saftig-grünen Wiesen, und nicht wegen der grauen und bei entsprechendem Sonneneinfall grell scheinenden Solarmodule.

Zugegeben mit der über Jahrzehnte garantierten EE-Vergütung fährt der Bauer womöglich besser (und bequemer) als mit der arbeitsintensiven Kultivierung seiner Felder. So geht energiepolitische Planwirtschaft im 21. Jahrhundert. Wenn der zu erwartende Gewinn die ebenfalls erwartbaren Verluste nicht überträfe, dann würde sich ja niemand darauf einlassen. Und dass die Zeche von den Verbrauchern mittels Zwangsabgabe finanziert wird, braucht ja den Betreiber nicht zu kümmern.

Interessant wird es erst dann, wenn die Einbußen des Tourismus den Einnahmen aus den Solarparks gegenüber gestellt werden. Wenn dann die Bilanz noch positiv ist, steht einem weiteren Ausbau der Solarmodule nichts mehr im Wege. Und die Touristen können ja auch woanders hinfahren.

2014/10/21

Zensur im ZEIT-Forum

Es geht mir schon längere Zeit gehörig auf die Nerven, dass die ZEIT sich bemüßigt fühlt, Beiträge im Online-Forum zu zensurieren. Hier ist eines der jüngsten Beispiele dafür, die Kommentare zu einem Artikel des verurteilten Steuerhinterziehers Theo Sommer. Da heißt es beispielsweise:

Entfernt. Bitte verzichten Sie darauf, vom Thema abzuschweifen. Danke, die Redaktion/jp

Wie bitte? Wer entscheidet, ob jemand vom Thema abschweift oder nicht? Man kommt sich vor wie in der Schule. Im übrigen gibt es eine ganze Menge redaktioneller Beiträge (auch in anderen, seriösen Medien), die ihr Thema meilenweit verfehlen. Und trotzdem stehen sie im Internet.

Lust auf mehr?

Entfernt. Bitte verzichten Sie auf überzogene Polemik. Danke, die Redaktion/jp
Entfernt. Bitte bleiben Sie beim Thema. Danke, die Redaktion/jp
Entfernt. Bitte verzichten Sie auf Pauschalisierungen dieser Art und kehren Sie zur sachlichen Diskussion des Artikelthemas zurück. Die Redaktion/ums 

Kann ich als Leser nicht selbst entscheiden, ob ein Beitrag überzogen polemisch ist oder nicht?

Es ist ein intellektueller Kindergarten, der hier aufgezogen wird. Politisch korrekte Besserwisserei zum Kotzen. Leute, die in der Lage sind ihr Oberstübchen zu benutzen und ihre Meinung öffentlich kundzutun, werden an die Leine genommen. So wird also die Meinungsvielfalt eingehegt und zum Mainstream zurechtgebogen.

Von einem Intellektuellenblatt hätte ich etwas mehr Souveränität erwartet. Und wenn sich jemand öffentlich zum Affen machen will - so be it! Wo ist die Grenze für diese gutmenschliche Bevormundung? Wer zieht die roten Linie, wenn nicht der Zensor selbst? Mit anderen Worten: Irgendein selbsternannter Watchdog entscheidet darüber, was ich lesen darf und was nicht? Aber der Watchdog handelt ja nicht (nur) in Eigenregie. Die Redaktion steht offenbar hinter diesem Vorgehen. Ein Filter wird aufgezogen, der nichts Unpassendes durchlässt.

Und dann wundern sich manche darüber, dass etliche Menschen die bestehenden Verhältnisse mit einer Diktatur vergleichen. Ja richtig, wir sind (noch) nicht in der DDR 2.0. Aber jeder lange Marsch beginnt mit einem ersten Schritt.






2014/10/20

Ein langer Krieg

Das ist es, worauf sich die USA (und ihre Verbündeten) einstellen müssen. Zumindest schwingt dies unüberhörbar in den Worten des US-Verteidigungsministers Chuck Hagel mit. Wahrscheinlich hat er recht.

Dennoch müssten bei allen Bewohnern der zivilisierten Welt die Alarmglocken schrillen angesichts solcher Worte. Denn die Bilanz sämtlicher Langzeitkonflikte ist für die USA und ihre Verbündeten ziemlich erbärmlich:

Vietnam, Afghanistan, Irak. Nirgendwo wurden die Ziele erreicht.

Eine militärische Auseinandersetzung sollte stets kurz und entscheidend sein mit einem klar definierten Ziel: die vollständige Unterwerfung des Gegners.

Ein Langzeitkonflikt birgt erhebliche Risiken. Eine entscheidende Frage, die man sich stellen muss, lautet: Wie leidensfähig ist die eigene Bevölkerung, der man ein solches long-term engagement zumutet? Und dann: Wie erreicht man die Unterwerfung des Feindes?

Die afghanischen Taliban haben sich bis heute nicht geschlagen gegeben. Im Gegenteil, ihr Einfluss hat in letzter Zeit wieder zugenommen. Von Unterwerfung sind sie weiter entfernt als je zuvor.

Wenn man noch nicht völlig von den medialen Zerrbildern, die uns täglich aus dem Nahen Osten erreichen, verblödet ist, dann muss man sich nüchtern betrachtet folgende Frage stellen:

Wie ist es möglich, dass etwa 30 000 fanatisierte Kämpfer die stärkste Armee der Welt zusammen mit mehr als 20 verbündeten Staaten in Schach halten? Militärisch, ökonomisch, technisch ist diese Koalition dem IS haushoch überlegen. Und dennoch wird ständig von einem langen Krieg schwadroniert. 

Irgendwas stimmt da nicht. Entweder ist der IS so eine große Gefahr für die Welt, dass er (möglichst rasch) eliminiert werden muss. Oder er ist es nicht. Dann braucht es auch kein internationales Bündnis, um dieser Bedrohung Einhalt zu gebieten. Und man täte besser daran, sich vollkommen aus diesem Hexenkessel herauszuhalten. Das gegenwärtige Vorgehen ist allerdings weder Fisch noch Fleisch.

Es besteht allerdings die Gefahr, dass dieses Problem umso größer wird, je länger man es nicht endgültig löst. Es kann also gerade dieses Gerede von einem langjährigen Konflikt sein, das dem Brandherd ständig neue Nahrung zuführt. Denn wenn sich die stärkste Militärmacht der Welt als unfähig erweist, einen Unruheherd mit (zum jetzigen Zeitpunkt) 30 000 Kämpfern aufzuräumen, dann werden etliche Leute in ihrem Glauben von der Unterlegenheit des Westens bestärkt fühlen. DAS könnte somit der entscheidende Faktor in diesem Konflikt werden.











2014/09/15

Energie sparen für Dummies

Energie sparen ist eine feine Sache. Es gibt viele Bereiche, wo sich Einsparungen erzielen lassen. Allerdings, das wird in den einschlägigen und wohmeindenden Medienartikeln gerne übersehen, ist das Sparpotenzial nicht beliebig groß. Im Gegenteil, wenn man sich Energieverbrauchsdaten etwas genauer ansieht, merkt man, dass die Effizienz der Energienutzung stetig zunimmt, allerdings mit sinkender Tendenz. Das heißt nichts anderes, als dass die Einsparung einer Kilowattstunde (kWh) in unseren Tagen sehr viel schwieriger ist, als das in den 1980er Jahren der Fall war.

Und so wird munter darauf losfabuliert, welche enormen Mengen an Energie man noch da und dort einsparen könnte. Gemach, gemach, kann  man dazu nur sagen. Denn nicht alles, was nach Einsparung aussieht, ist auch eine.

Beispiel gefällig? Nun ja, es gibt da ein funkelnagelneues Wohngebäude in Brüssel, das erst vor wenigen Wochen zum Bezug freigegeben wurde. Das Gebäuse hat zwei Aufzüge. Jeder Aufzug hat eine Anzeigetafel, die dem Benutzer signalisieren soll, in welchem Stockwerk sich der Lift gerade befindet. So weit, so gut. Doch leider leuchtet die Anzeigetafel erst dann auf, wenn der Rufknopf gedrückt wird. Erst dann kann der Benutzer sehen, aus welchem Stockwerk der Lift anrauscht.

Es wäre nun sehr praktisch, auch vom Standpunkt des Energiesparens aus gesehen, im Voraus zu wissen, wo jeder Lift sich befindet. In diesem Fall würde der Benutzer sich klarerweise für den nächstgelegenen entscheiden, was sowohl Zeit als auch Energie sparen würde. Nachdem die Anzeige aber auf Energiesparmodus geschaltet ist, tippt der dumme Mensch also blind und ruft mit 50% iger Wahrscheinlichkeit jenen Lift, der gerade weiter entfernt ist. Das kostet mehr Zeit und mehr Energie. Es soll auch Leute geben, die beide Lifte gleichzeitig rufen, um dann einfach denjenigen zu nehmen, der schneller da ist.

Es dürfte auch dem Leser ohne physikalisches Vorwissen intuitiv klar sein, dass die Bewegung eines größeren Gegenstands (der Lift ist in diesem Fall ein solcher) beträchtlich mehr Energie benötigt als die digitale Anzeige.

Wir haben es hier mit einem sehr schönen Beispiel zu tun, wo der Wille zum Energiesparen in sein glattes Gegenteil umschlägt. Da kann man nur noch sagen: Chapeau!




2014/09/03

Anmerkungen zur Wettbewerbsfähigkeit

Alle Jahre wieder sorgt der Global Competitiveness Report (GCR) für Schlagzeilen. Das diesjährige Ranking ist hier im Internet zu finden. Die Ergebnisse des Vorjahres sind hier zusammengestellt.

Nun, Rankings sind populär, und ganz nebenbei auch eine gute Einnahmequelle für manche Thinktanks. Entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit, die ihnen entgegen gebracht wird.

Es liegt nunmal in der menschlichen Natur, sich mit anderen zu vergleichen. Im Sport ist die Sache relativ einfach: Man lässt Teams oder Einzelsportler gegeneinander antreten, und am Ende des Wettbewerbs hat man einen klaren Sieger. Sofern alles mit rechten Dingen zugegangen ist. In vielen Sportarten gibt es eine Weltrangliste, die üblicherweise etwas stabiler ist als die Ergebnisse einzelner Wettkämpfe.

Viel schwieriger ist es, relativ abstrakte Kriterien zu messen, wie etwa Lebensqualität, Wettbewerbsfähigkeit und andere Dinge. Gleichwohl ist es wünschenswert und bis zu einem gewissen Grad wohl auch notwendig, solche Dinge zu messen. Denn es versteht sich von selbst, dass bestimmte Länder, etwa Österreich und Venezuela, unterschiedlich wettbewerbsfähig sind. Man hätte aber gerne einen Maßstab für diese Verschiedenheit, und der GCR sorgt mit einem Punktesystem dafür, diese Unterschiedlichkeit deutlich zu machen.

Nun steht es mir nicht an, die Methodik des Welwirtschaftsforums (ich halte mich hier an die internationale Abkürzung WEF) zu kritisieren oder gar abzulehnen. Ein ganzes Paket von Faktoren fließt in die Berechnung der Gesamtpunktezahl ein. Dazu gehören Dinge wie: Infrastruktur, Gesundheitswesen, Bildung, Innovation, Effizienz des Arbeitsmarkts etc.

Bei allem Detailreichtum und der unterstellten Sauberkeit der Methodik, die hier nicht in Zweifel gezogen wird, sind dennoch ein paar Worte der Vorsicht angebracht. Bei jedem komplexen Verfahren gibt es eine Reihe von Faktoren, die zwar entscheidend in das Gesamtergebnis einfließen, aber im Endresultat nicht mehr als solche zu erkennen sind. Es ist wie bei einem Kuchen, wo man aus dem essfertigen Stück keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die Zutaten und deren Menge machen kann. Dass Eier drin sind, ist klar. Aber wie viele waren es denn?

Fest steht jedenfalls, dass man aus denselben Faktoren mit einer anderen Gewichtung ein anderes Resultat und vielleicht auch ein anderes Ranking bekommen hätte. Und wer sagt einem, dass gerade diese Gewichtung die optimale ist? Üblicherweise werden diese Verfahren auf ihre Robustheit getestet, um die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse einigermaßen sicherzustellen. Es wäre ja auch wirklich erstaunlich, wenn sich Schweden plötzlich hinter Burkina Faso befände.

Es gibt auch noch ein anderes Merkmal, das zur Vorsicht rät. Sowohl sämtliche Parameter als auch das Endergebnis werden auf einer Punkteskala von 1 bis 7 (Bestnote) abgebildet. Das hat zwangsläufig zur Folge, dass bei mehr als 140 miteinander verglichenen Staaten den Nachkommstellen eine entscheidende Rolle zukommt. Klar ist 7 besser als 6  und 6 besser als 5. Aber ist 5,42 wirklich spürbar besser als 5,41? Und es sind gerade solche Unterschiede, die ausschlaggebend sind und das Ranking verändern können.

Sehr wir uns ein paar Beispiele an. Ich liste die 10 wettbewerbsfähigsten und einige ausgewählte Länder des jüngsten GCR auf (in Klammern ist die jeweilige Punktezahl aufgeführt). Hinter dem Ländernamen ist das Ranking und die Punktezahl des Vorjahres angegeben:

1   (5,70)     Schweiz                         1  (5,67)
2   (5,65)     Singapur                        2  (5,61)
3   (5,54)     USA                              5   (5,48) 
4   (5,50)     Finnland                        3  (5,54)
5   (5,49)     Deutschland                  4  (5,51)
6   (5,47)     Japan                             9  (5,40)
7   (5,46)     Hongkong                     7   (5,47)
8   (5,45)     Niederlande                   8  (5,42)
9   (5,41)     Vereinigtes Königreich 10  (5,37)
10  (5,41)    Schweden                      6  (5,48)
21  (5,16)    Österreich                      16  (5,15)
36  (4,54)    Portugal                         51  (4,40)
81  (4,04)    Griechenland                 91  (3,93)

 Es ist wie beim Skilaufen. Ein paar hunderstel Sekunden entscheiden über die Platzierung, aber die Top 10 sind allesamt ausgezeichnete Skifahrer.

Ich denke, wir können uns darauf einigen, dass Veränderungen in der 2. Dezimale, also im Hundertstel-Bereich als nicht signifikant anzusehen sind. Aussagekräftiges wird erst ab Veränderungen in der 1. Dezimale produziert. Dann können wir die Veränderungen im Ranking der Top 10 mit einiger Berechtigung als Kinkerlitzchen bezeichnen.

Österreich ist, absolut gesehen, praktisch unverändert geblieben. Angesichts dieser Faktenlage ist es wohl ein wenig übertrieben, wenn die Presse hinausposaunt, Österreichs Wirtschaft verliere an Wettbewerbsfähigkeit. Das klingt schon fast nach Absturz. Zwischen Schweden auf dem 10. Platz und Österreich auf dem 21. liegen nur 0,25 Punkte. Der absolute Unterschied zwischen den Positionen 1 und 10 beträgt hingegen 0,29 Punkte, also grob gesprochen drei Zehntel. Viel deutlicher ist der Abstand in Punkten zwischen Österreich und Portugal (0,62) bzw. Griechenland (1,37), bestimmt keine Vorbilder für die Alpenrepublik, aber auch auf mittlere Sicht keine unmittelbaren Konkurrenten. Hier bewegen wir uns in einer Gegend, wo die Unterschiede spürbar werden.

Es stimmt schon, Österreich ist im Ranking abgerutscht, aber nicht weil es "schlechter" geworden ist, sondern weil andere aufgeholt haben. Wir aollten also die Kirche im Dorf lassen. Es gibt keinen Grund zur Panik. Das soll nicht heißen, dass wir uns gemütlich zurücklehnen sollen. Es gibt vieles zu verbessern. Und bei näherer Betrachtung ist es geradezu ein Wunder, dass das Land angesichts der seit Jahren andauernden politischen Lähmung immer noch so gut drauf ist.

Rankings sind nützlich und interessant, aber wir sollten ihre Beschränktheiten nicht übersehen.









2014/08/27

Ein Kollateralschaden der politischen Korrektheit

... ereignete sich in England. Um nur ja nicht als Rassist zu gelten, haben offenbar etliche Leute es vorgezogen zu schweigen....

Mehr dazu hier und hier.

Die englischen Medien sind hier - wie so oft - etwas weniger heuchlerisch in ihren Aussagen. Auf SPON kommt das R-Wort gar nicht erst vor, obwohl hier ein wesentlicher Schlüssel des ganzen Skandals liegt. Auch wurde sicherheitshalber (?) die Kommentarfunktion deaktiviert.

2014/08/25

Menschen gemachtes Klima?

Dieser Tage ließ eine Meldung aufhorchen, die - so scheint es - ein gewichtiges Problem der gängigen Klimaforschung lösen könnte. Unter anderem die BBC berichtete darüber auf ihrer Homepage.

Das Problem ist hinlänglich bekannt, nämlich der seit 15 Jahren währende Stillstand in der Klimaerwärmung. Nach allem, was uns die finanziell bestens ausgestattete Klimaforschung seit Jahrzehnten weis machen will, sollte es eine starke Korrelation zwischen dem CO2-Gehalt in der Atmosphäre und der Globaltemperatur geben. Mit anderen Worten: Wenn der CO2-Gehalt in der Luft ansteigt, nimmt auch die Temperatur zu. So jedenfalls die Theorie. Genau deswegen wird ja auch so viel Aufhebens um die Begrenzung bzw. Verminderung der Kohlendioxidemissionen gemacht.

Nun stiegen in der vergangenen 15 Jahren die CO2-Emissionen munter an, während gleichzeitig die Erdtemperatur nicht folgen wollte. Irgendetwas stimmte also mit den Modellen nicht, die uns bislang das nahe Ende der Zeiten vorhergesagt hatten.

Nun gibt es in solchen Situationen im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, wie die Wissenschaft auf derartige negative Befunde reagieren kann. Sie kann sich a) von der bestehenden Theorie verabschieden und eine gänzlich neue Theorie erschaffen, oder b) versuchen, Zusatzhypothesen zu entwerfen, die die Abweichungen von den Erwartungen erklären, ohne jedoch die ursprüngliche Theorie zu verwerfen.

Die Geschichte der Wissenschaft zeigt ganz eindeutig, dass in der wissenschaftlichen Praxis immer Option b) gewählt wird. Warum ist das so? Nun, Wissenschaftler lieben ihre Theorien. Und sie mögen es im Allgemeinen gar nicht, wenn diese Kinder des Intellekts kritisiert werden.Und schon gar nicht sind sie so streng zu sich selbst und ihren Modellen, wie Karl Popper es gefordert hat, der sinngemäß meinte, jeder Wissenschaftler müsse seine eigenen Theorien so gnadenlos wie möglich nach Schwachstellen durchforsten, weil nur so der Weg zu neuen Entdeckungen offen steht.

Deshalb wird in der Praxis immer so lange an bestehenden Theorien herumgedoktert, bis wirklich gar nichts mehr geht, und eine vollkommen neues Gedankengebäude alles Bestehende über den Haufen wirft. Doch davon sind wir in der Klimaforschung noch ein gutes Stück entfernt.

Zurück zu unserem BBC-Bericht. Gemäß neuen Forschungsergebnissen ist es der Atlantik, der die überschüssige Hitze in der Atmosphäre aufnimmt und sie in größere Tiefen verfrachtet. Dort tief unten sollen sich die aufgewärmten Wassermassen eine Zeit lang aufhalten, bevor sie wieder emporsteigen und den Erwärmungsprozess nicht nur dereinst wieder aufleben lassen, sondern ihn sogar verstärken. Warum das so ist, weiß man zwar noch nicht, aber das kann ja vielleicht später noch kommen.

Zwar beruht diese Hilfshypothese auf einer relativ geringen Zahl von empirischen Daten. Aber nehmen wir mal an, es sei so, wie die Forscher behaupten. Dann ist das, auch wenn die Meldung auf den ersten Blick zur Beruhigung der Klimawissenschaft dient, letztlich doch eine ziemliche Bankrotterklärung derselben. Denn wurde nicht seit Jahrzehnten mit wachsender Vehemenz behauptet, der Einfluss des Menschen auf das Klima sei weitaus stärker als alle natürlichen Einflüsse? Ja, wurde nicht alle natürliche Variabilität als völlig belanglos dargestellt.

Nun wurde also ein natürlicher Faktor entdeckt, der es gleichsam mühelos schafft, die menschlichen Anstengungen zur Erwärmung des Klimas auszuhebeln. Diesen Faktor hatte offenbar niemand auf dem Radar.Auch wenn sich diese Hypothese als nicht tragfähig erweisen sollte, jede andere Erklärung für den ausgebliebeneen Temperaturanstieg wird letztlich auf natürliche Ursachen zrückgreifen müssen.

Wie ernst kann man angesichts dessen in Zukunft Behauptungen nehmen, der Mensch sei in erster Linie für das Klima auf Erden verantwortlich?



2014/08/21

Versicherungen

Sicherheit geht uns über alles. Und Versicherungen tragen dazu bei, uns ein Gefühl der Sicherheit zu vermittlen.

In gewissem Sinne ist jede Versicherung eine Art Glücksspiel, bei der es nur einen Gewinner gibt: die Versicherungsgesellschaft. Auch im Lotto landet der Hauptgewinn immer bei der Betreibergesellschaft, während die Zahl der glücklichen (?) Los-Millionäre überschaubar bleibt. 

Das Gewinnstreben ist nichts Verwerfliches. Denn es kann niemand ein Interesse daran haben, dass Versicherungen pleite gehen. Wer würde uns sonst vor den existenziellen Risiken bewahren oder zumindest deren Folgen abmildern?

Gehen wir noch ein wenig weiter in unserer Analogie zwischen Glücksspiel und Versicherungen. Bei der Lotterie zahlen viele Leute einen kleinen Obulus, nur damit einige wenige mit einer großen Portion Glück Millionär werden können. Wir nehmen das hin, obowhl wir wissen sollten, dass jeder Teilnehmer auf lange Sicht nur verlieren kann. Denn wäre es anders, würde also jeder Teilnehmer auf lange Sicht letztlich gewinnen, wäre die Statistik der Firmenpleiten wieder um einen Eintrag größer geworden.

Bei der Versicherung verhält es sich so: viele Menschen sind einem bestimmten Risiko ausgesetzt (z. B. Hausbrand). Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Haus einer bestimmten Person abbrennt, relativ gering. Aber innerhalb der Gesamtbevölkerung kommt es doch gelegentlich vor. Man weiß nur nicht im Voraus, wen es treffen wird. Also tun sich die Menschen zusammen, zahlen eine kleine Summe, auf dass demjenigen, den das Schicksal trifft, geholfen wird.

Das ist sinnvoll, denn auch wenn das individuelle Risiko eines Hausbrandes gering ist, so sind die finanziellen Schäden für den Betroffenen immens und können mitunter den Ruin eines Lebens bedeuten.

Die Feuerversicherung ist ein schönes Beispiel, um das Prinzip des Versicherungswesens zu verdeutlichen:

  • ein geringes individuelles Risiko für das Eintreten eines Schadens
  • ein hoher finanzieller Verlust im Schadensfall für das Individuum
Die zentralen Begriffe sind also Risiko und Verlust

Spiegelbildlich verhält es sich bei der Lotterie mit dem Begriffspaar Chance und Gewinn:

  • eine geringe individuelle Chance auf einen Hauptgewinn
  • ein hoher finanzieller Gewinn für den mit den richtigen Zahlen

Was passiert aber, wenn sich das Risiko eines Schadensfalles verändert? Nun, wenn das Risiko kleiner wird, also die Zahl der Schadensfälle zurückgeht, sollte auch die Versicherungsprämie sinken. So weit, so trivial. Wird das Risiko allerdings größer, dann werden die Prämien steigen. Das ist unausweichlich, weil dann ja auch die gesamte Schadenssumme zunimmt. Nehmen wir den Extremfall, dass innerhalb kurzer Zeit alle Häuser aller Versicherten abbrennen. Dann bleibt letztlich jeder auf seiner Brandruine sitzen und die Versicherung hat ihre Schutzfunktion verloren. Wer würde auch ein so großes Risiko versichern?

Sehen wir uns ein anderes Beispiel an - die Krankenversicherung. Jeder von uns ist versichert, es gibt ja eine Versicherungspflicht. Aber auch jeder von uns wird irgendwann einmal krank. Und zwar werden mit zunehmendem Alter die Krankheiten schwerer und langwieriger. Die Behandlungskosten steigen also mit dem Alter an. Wenn also der Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung zunimmt, muss ein geringerer Anteil jüngerer Menschen für die Behandlungskosten der Rentner aufkommen, die ja ihrerseits aufgrund ihres geringeren Einkommens nicht mehr allein für ihre medizinischen Kosten aufkommen können.

In gewissem Sinne ist die Krankenversicherung also keine echte Versicherung, da ja über kurz oder lang jeder in den Genuss ihrer Leistungen kommt. Im Grunde genommen ist es eine Umverteilung von jenen, die weniger krank sind (also den Jüngeren) zu jenen, die häufiger krank sind (also den Älteren). Das ist per se kein Qualitätsurteil, aber man sollte sich das Ganze vor Augen halten.

Die Krankenversicherung ist sozusagen der Zwilling der Rentenversicherung, wo eine ganz ähnliche Ausgangslage herrscht. Nur ist es hier offensichtlicher. Die demographischen Probleme der nicht mehr allzu fernen Zukunft werden also längst nicht nur auf dem Feld der Renten und Pensionen virulent,. sondern auch im Bereich der Kosten für das Gesundheitssystem.

Hier ticken zwei Zeitbomben - und zwar gleichzeitig.





2014/08/04

Polnisches Gemüse

Es gibt im Englischen den wunderbaren Ausdruck blessing in disguise. Gemeint ist damit, dass eine Sache auf den ersten Blick wie ein großes Übel aussieht, sich bei näherer Betrachtung (und auf lange Sicht) jedoch als ein unerwarteter Segen erweist.

Die Ukraine-Krise hat auf jeden Fall das Potenzial, dieser Redensart Ehre zu machen. Wie das?

Nun, kürzlich wurden verschärfte Sanktionen gegen Russland verhängt. Welch grauenhafte Auswirkungen dies auf das Leben der kleinen Leute in Putins Reich hat, kann man u.a. hier nachlesen.

Es ist bestimmt nur ein Zufall, aber gerade jetzt haben die Russen erhöhte Pestizidwerte in polnischem Gemüse gefunden. Klar, dass die dann ihre Gemüseimporte aus Polen erst mal aussetzen müssen. Für die örtliche Landwirtschaft ist diese Nachricht ein herber Schlag. Auch kleine Leute.

Jedoch ergibt sich bei genauerer Betrachtung ein anderes Bild. So eröffnet sich uns, also den Nicht-Polen, nunmehr die Möglichkeit, mehr (polnisches) Gemüse zu essen. Wir ernähren uns gesünder, machen öfters mal einen Veggie-Day, senken unsere Blutfettwerte und helfen nebenbei noch der polnischen Landwirtschaft, die sonst auf einem geschätzten Verlust von 1 Mrd. € sitzenbleiben würde.

Alles in allem, ein klarer Fall von blessing in disguise.

Wenn da nur nicht diese Pestizide wären....

2014/07/23

Warum habt Ihr nichts getan?

So lautet seit Jahrzehnten der Standardvorwurf der Nachgeborenen an die Generation der Großväter, wenn es um die Vertreibung und Vernichtung der Juden während der NS-Zeit geht. Unzählige Mahnmale, Museen, Gedenkveranstaltungen hat Europa seit jenen dunklen Tagen gesehen. Und man konnte meinen, dass dieser Gedenkmarathon mit dem ominösen "Nie wieder!" eigentlich Früchte tragen müsste.

Doch weit gefehlt. Inzwischen werden Juden wieder gejagt in Europa. Und im Gegensatz zu den 1930er Jahren können wir es live im Fernsehen oder auf YouTube mitverfolgen. Diesmal wird es also viel schwieriger zu sagen: Wir haben nichts gewusst.

Und diejenigen, die normalerweise an vorderster Front die Schatten der Vergangenheit heldenmutig bekämpfen, die Politiker also, stellen ihr Versagen angesichts eines gewalttätigen Mobs "mit Hintergrund" offen zur Schau. Die Falle der politischen Korrektheit schnappt nunmehr zu. Während es bei dumpfbackgien Neonazis ein Leichtes ist, sich zum Retter der Welt aufzuschwingen (es gibt ja, zum Glück, nur sehr wenige davon), sieht die Sache bei einer Bevölkerungsgruppe, deren demographisches Gewicht im Zunehmen begriffen ist und deren Wählerstimmen gerne gefragt sind, schon ganz anders aus.

Jeder deutsche Michel, der irgendwo Unbotmäßiges von sich gibt, bekommt sofort die volle Härte des Gesetzes zu spüren. Wenn es sich aber um Leute "mit Hintergrund" handelt, dann dürfen die schon mal ein Polizeimikrofon benutzen, ohne dass es Konsequenzen gibt. Man stelle sich vor, so etwas wäre bei einer Demonstration von Neonazis geschehen - der Rücktritt des Innenministers wäre das mindeste, von Lichterketten und sonstigem Brimborium ganz zu schweigen.

Ein Gespenst geht um in Europa. Es sieht nicht gut aus, was sich da zusammenbraut. Werden wir in ein paar Jahren an die heute Verantwortlichen die Frage stellen müssen: Warum habt Ihr nichts getan?


2014/06/28

Sarajewo oder Der Zufall macht Geschichte

Der hundertste Jahrestag eines Ereignisses, das nichts weniger als die bis dahin größte Schlachtorgie der Menschheitsgeschichte ausgelöst hat, bot - wie könnte es anders sein - viel Gelegenheit zum Moralisieren. Von Schuld und Verantwortung war vielerorts die Rede. Auch wenn sich das etablierte Bild der einseitigen Schuldzuschreibung gegen Deutschland inzwischen etwas aufgeweicht hat, das dahinterliegende Ressentiment wird - nicht zuletzt von den Medien, die immer einen "Schuldigen" brauchen - geflissentlich am Köcheln gehalten.

Das Moralisieren dient aber eher dem eigenen Wohlbefinden und der Selbstvergewisserung, man stehe ja auf der "richtigen" Seite. Abgesehen von diesem emotionellen Tranquilizer liefert solcherart von Denken keine weitergehenden Einsichten. Und letztere sind es allenfalls, die es uns erlauben, irgendetwas aus der Geschichte zu lernen.

Ich möchte sogar soweit gehen, zu sagen, dass ein einseitig auf Moralismus aufgebautes Geschichtsbild potenziell verhängnisvoll sein kann. Eben weil es uns die tatsächlichen Mechanismen, die Geschichte entscheidend prägen, übersehen lässt. Das mitunter anstrengende Denken und Nachdenken über Historisches wird zugunsten der einfachen emotionalen und moralisch aufgeladenen Botschaft vernachlässigt.

Wenn man die Einzelheiten des Attentates auf den österreichischen Thronfolger unvoreingenommen betrachtet (Christopher Clark hat die Ereignisse in seinem Buch Die Schlafwandler minutiös beschrieben, äußerst lesenswert!), dann kommt man um einen bemerkenswerten Aspekt nicht herum. An mehreren Stellen spielte der Zufall eine nicht unerhebliche, um nicht zu sagen entscheidende Rolle:

1) Auf das Auto des Thronfolgers wird eine Bombe geworfen. Ein Begleiter Franz Ferdinands ergreift den Sprengsatz und wirft ihn aus dem Auto mit der Folge, dass das dahinter fahrende Fahrzeug von der Detonation erfasst wird. Dessen Insassen werden verletzt.

2) Nach diesem Schock und einem Besuch bei den Verletzten beschließt man, die Route des Fahrzeugkonvois zu ändern. Allerdings: der Fahrer wird wird nicht über diese Änderung informiert.

3) Dies hat zur Folge, dass er - wie in der ursprünglichen Planung vorgesehen - an der "falschen" Kreuzung abbiegen will. Als dies klar wird, weist man ihn an zu halten und auf die neue Route einzuschwenken. Diesen Moment des Anhaltens nutzt Princip, um seine Pistole abzufeuern.

4) Zwei Schüsse, zwei Tote. Auch wenn der Attentäter höchstwahrscheinlich Schießübungen durchgeführt hat, so war er doch kein Navy Seal. Seinen Mitverschwörern (sieben an der Zahl) haben bei ähnlicher Gelegenheit nachweislich die Nerven versagt. Dass zwei einzelne Schüsse ihre maximale Wirkung entfalten konnten, war nicht zuletzt dem Anfängerglück geschuldet. Also auch hier ein gehöriges Quentchen Zufall.

Damit war, durch eine Reihe von Zufälligkeiten, eine Dramaturgie geschaffen, die den Boden für alles Weitere bereitete. Ein Kriegsausbruch war damit noch keineswegs zwingend, wenngleich doch wahrscheinlicher geworden. Eines ist jedenfalls sicher: ohne diese Zufälle würden wir heute keinen hundertsten Jahrestag haben.





2014/05/26

Blendend geblufft

Vor einigen Jahren wurde ich Zeuge einer bizarren Szene: Vor einer Versammlung internationaler "Experten" hielt ein Professor einen Vortrag. Es ging um das Thema Energie. Zum Abschluss seines Vortrages hatte er noch einen (aus seiner Sicht) besonderen Leckerbissen parat. Er hantierte virtuos mit Wahrscheinlichkeiten für das Ende der Lebendauer von Kraftwerken. Abgesehen davon,  dass das von dem Professor vorgestellte "Modell" von etwas dubioser Aussagekraft war, gab es noch etwas anderes, was mir zu denken gab. Die Wahrscheinlichkeiten seines Modells addierten sich nämlich zu Zahlen weit jenseits der 100% auf.

Dabei waren die Zahlenkolonnen gar nicht so lange. Wenn man einigermaßen Kopfrechnen konnte, dann wurde einem innerhalb von Sekunden klar, dass hier etwas nicht stimmte.

Kein Mensch sagte etwas. Ich auch nicht, nahm mir aber vor, nach dem Vortrag direkt mit dem Professor zu reden und ihn zu testen. Und tatsächlich - auch hier zeigte sich, dass der gute Mann nicht Herr seiner Zahlen war. Er mochte ja etwas von Kraftwerkstechnik verstehen, der Umgang mit Wahrscheinlichkeiten gehörte jedoch definitiv nicht zu seinen Stärken.

Wie dem auch sei. Was mich am meisten erstaunte, war der Umstand, dass niemand im Publikum auf diesen offensichtlichen Fehler hinwies. Dafür kann es natürlich mehrere Gründe geben.

Vielleicht waren die Zuhörer schon etwas müde und nicht mehr voll konzentriert. Vielleicht waren sie einfach nur desinteressiert und wollten die Dinge eigentlich gar nicht so genau wissen. Vielleicht war ihnen das Faktum unbekannt, wonach die Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten unabhängiger Ereignisse zusammen genommen maximal 100 % betragen dürfen. Vielleicht war es ihnen einfach nur peinlich, sich in der Öffentlichkeit eine Blöße zu geben.

Wie immer dem auch gewesen sein mag, der Vortrag war ein voller Erfolg. Insbesondere für den Professor, denn immerhin war sein Forschungsprojekt ja mit gutem Steuergeld finanziert worden. Man stelle sich vor, jemand hätte beim Abschlussvortrag auf einen derartig elementaren Fehler hingewiesen. Das hätte auch schlecht für die Geldgeber ausgesehen. Also doch lieber schweigen (falls es überhaupt aufgefallen ist, wie gesagt).

An diese Begebenheit musste ich denken, als ich auf SpiegelOnline einen Artikel über gekonntes Bluffen im Büro las. Ja, es stimmt schon - manchmal kommt man mit Spiegelfechterei ganz schön weit. Schade eigentlich. Vor allem für jene, die wirklich etwas drauf haben, aber es nicht schaffen, sich in Szene zu setzen.

Nun, solange die Anzahl der Spiegelfechter und ihr Einfluss nicht allzu groß sind, sollten wir uns keinen Kopf darüber machen. Bedenklich wird es erst, wenn die Spiegelfechterei zum Volkssport wird und das Sein gegenüber dem Schein ins Hintertreffen gerät.



2014/05/18

Ungleichheit einmal anders

Ungleichheit ist das Thema unserer Tage. Es ist sicher von Interesse, über die Hintergründe von Ungleichheit zu reflektieren. Ebenso kann man sich natürlich fragen, ob es vielleicht besser wäre, allzu große Ungleichheit gar nicht erst entstehen zu lassen. Und genau hier liegt die Crux: in diesem Attribut allzu groß liegt ein Ermessensspielraum, der sich eben nicht klar abgrenzen lässt. Ab wann ist die Ungleichheit zu groß? Und wer legt das fest? Und wie?

Menschen sind ungleich. Sie mögen zwar gleiche Rechte als Staatsbürger haben. Aber in ihren Fähigkeiten, ihrer Persönlichkeit, ihrer Kreativität sind sie eben doch sehr unterschiedlich. Das gilt nicht zuletzt auch, was ihr Einkommen betrifft. Wenn jemand eine gute Idee hat, diese beharrlich verfolgt und dazu noch das nötige Quantum Glück, dann kann er vielleicht eines Tages auf seine erfolgreiche Geschäftsidee zurückblicken, möge sie nun Google, Apple, Amazon oder Skype heißen.


Es sind immer nur einige wenige, die den Unterschied machen. Und das gilt nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht. Auch in sportlicher, intellektueller und künstlerischer Hinsicht sind die Befähigungen der Menschen nunmal höchst unterschiedlich verteilt. Nur Leute, die nicht über ihre eigene Nasenspitze hinausdenken können, werden das in Abrede stellen. Von diesen gibt es aber eine ganze Menge.

Und genau deshalb wird die alte Gleichheitsleier immer wieder gesungen, während sich hinter dem Gerede von Gleichheit nichts anderes als - Neid verbirgt. Klar, auch ich hätte gerne ein Unternehmen wie Microsoft gegründet. Auch ich würde gerne so Fußball spielen wie Messi. Auch ich würde gerne eine thailändische Zuckerbrause weltweit vermarkten. Doch all das wurde mir eben nicht in die Wiege gelegt. Vielleicht klappt es ja in einem anderen Leben...

Ungleichheit ist eben ein Faktum unserer Existenz, das sich längst nicht nur im unterschiedlichen Kontostand jedes Einzelnen manifestiert. Das zentrale, wenngleich nur philosophische Problem dahinter ist, dass es keine unabhängige Richtschnur gibt, die es uns erlaubt zu sagen, wieviel Ungleichheit gerecht, zulässig oder nachhaltig ist. Wir wissen es schlicht und einfach nicht.

Während das Thema Ungleichheit in salbungsvollen Politikerreden ein beliebtes Wahlkampftopos ist, mit dem sich gefahrlos auf vermeintlich oder tatsächlich Privilegierte eindreschen lässt, gibt es Bereiche, in denen die Ungleichheit in ebenso ausgeprägter Weise ihr Dasein fristet. Nur sind diese Bereiche eben nicht so der Allgemeinheit zugänglich, weshalb sie nicht die üblichen Neidreflexe auslösen.

Einer dieser Bereiche ist die Wissenschaft. Wenn man sich ansieht, wieviele und welche Institutionen von Fördergeldern profitieren, dann offenbart sich auch hier eine unübersehbare Schlagseite. Da zeigt sich beispielsweise, dass in Europa 0,4% der Forschungseinrichtungen nicht weniger als 34% aller Fördermittel (immerhin etliche Milliarden) in Anspruch nehmen. Mit anderen Worten: die restlichen 99,6% der Teilnehmer müssen mit den verbliebenen zwei Dritteln des Forschungsetats auskommen.

Dieser Sachverhalt gilt im Wesentlichen unabhängig von der Art der Teilnehmer an Forschungsprjekten, also unabhängig davon, ob es sich private Unternehmen oder öffentliche Institutionen handelt. Die Top-Teilnehmer (auch was den wissenschaftlichen Output betrifft), absorbieren auch den größten Teil des Kuchens. So nehmen gut 5% der öffentlichen Institutionen mehr als 56% der Forschungsgelder für sich in Anspruch. Die restlichen 95% der Teilnehmer aus dieser Gruppe müssen sich also mit ingesamt weniger als der Hälfte zufrieden geben.

Man kann getrost davon ausgehen, dass Ähnliches auch in den USA und anderswo gilt. Einige wenige schnappen sich den größeren Teil des Kuchens. 

Ist das gerecht? Oder ist es nicht vielmehr völlig verfehlt, diese Frage überhaupt zu stellen? Und ist es nicht so, dass eine renommiete Einrichtung wie etwa die Universität von Cambridge oder das MIT nun einmal bessere Forschungsresultate erzielt und deshalb bessere Forscher anzieht als Universitäten in anderen Ländern, deren Nennung aus politisch-korrekten Gründen hier unterbleiben muss? Es ist eben, wie im Sport, ein Wettbewerb der Ideen und der Kreativität, der hier stattfindet. Und wie in jedem Wettbewerb, so trennt sich auch hier die Spreu vom Weizen.

Sollte man etwas gegen diese Form der Ungleichheit unternehmen? Ich denke nein, solange sicher gestellt ist, dass der gesamte Pool der Teilnehmer in einem gesunden Konkurrenzverhältnis zueinander steht. Denn dann müssen sich die großen Fische immer gegen ihre Mitbewerber behaupten. Letzteres wird ihnen nur gelingen, wenn sie tatsächlich qualitativ bessere Wissenschaft liefern. Denn eine Institution, die sich auf ihren einstigen Erfolgen ausruht, wird schnell den absteigenden Ast beschreiten und Platz machen für andere, innovative Konkurrenten.

Man kann die Gretchenfrage auch anders stellen: Wäre es besser, mehr Geld an die Underdogs zu vergeben? Das müsste zwangsläufig zu Lasten der bisherigen Platzhirsche gehen, die dann ein kleineres Stück des Kuchens bekämen. Klar könnte eine bessere finanzielle Ausstattung dazu führen, dass eine Hinterwalduniversität den einen oder anderen hochkarätigen Forscher rekrutieren könnte. Aber es stellt sich auch die Frage, ob diese Forscher überhaupt dort arbeiten wollen. Letztlich werden die berühmteren und damit auch finanziell besser gestellten Universitäten auch die fähigeren Leute anziehen. Das ist nicht nur eine Frage des Geldes. Denn gerade in einem Bereich wie der Wissenschaft spielt auch das geistige Klima eine zentrale Rolle. Schließlich wollen die führenden Köpfe ja in einem Umfeld arbeiten, das sie fördert und fordert. Oder kann man sich vorstellen, dass Messi sich von heute auf morgen entscheidet, bei einem Drittligisten zu spielen?

 Immer wird sich dort, wo es zu einem freien Spiel der Kräfte kommt, Ungleichheit herausbilden. Das gilt in der Wissenchaft, in der Wirtschaft, im Sport, in Musik und Kunst. Manche Maler erzielen eben höhere Preise als andere. Woran das liegt? Man könnte sagen: am Talent des Künstlers. Man könnte aber auch sagen: am Geschmack des Kunstsammlers. Wie dem auch sei, wenn beide zusammenkommen und sich auf einen Preis einigen, dann ist dem Spiel der Kräfte Genüge getan.



2014/04/21

Ein paar Fakten zur Energiewende

Als im März 2011 ein Tsunami Teile der Ostküste Japans verwüstete und mehr als 10000 Menschen in den Tod riss, schwappte - mit entsprechender zeitlicher Verzögerung - ein Medientsunami über Mitteleuropa und hinterließ vor allem in Deutschland Millionen verängstigter Bürger, die lieber heute als morgen alle Atommeiler vom Netz genommen sähen. Die Frucht dieses medialen Angstspektakels, das auf dem Rücken der Opfer jener Monsterwelle ausgetragen wurde (der Atomunfall in Fukushima hat bis heute kein einziges Todesopfer gefordert), war die sogenannte Energiewende. Das bedeutete in letzter Konsequenz den möglichst raschen Ausstieg aus der Atomenergie und deren Ersetzung durch erneuerbare Energien.

Letztere blickten durch das von der Regierung Schröder verabschiedete Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bereits auf ein Jahrzehnt des Booms zurück. Insbesondere Wind- und Sonnenenergie (hier vor allem Photovoltaik) waren die großen Gewinner dieses Gesetzes. Man war also bereits auf gutem Weg, als die Regierung Merkel die Energiewende ausrief. Nun sollte alles nur noch schneller gehen.

Die Medien stürzen sich seither häufig auf das Thema Energiewende, immerhin will Deutschland ja ein Trendsetter sein - weltweit. In kritischen Artikeln wird oft die Explosion der Kosten gerügt, während der allgemeine Tenor überwiegend positiv ist. Die finanzielle Seite ist bestimmt ein gewichtiger Faktor, zumal die privaten Stromkunden längst nicht nur den "Preis für eine Kugel Eis pro Monat" (J. Trittin) berappen müssen. Die technische Seite wird jedoch so gut wie überall ausgeblendet. Wahrscheinlich sind auch die meisten Journalisten damit überfordert, einfache und überall zugängliche Statistiken ein wenig unter die Lupe zu nehmen.

Wie auch immer, an dieser Stelle soll dieser Aspekt etwas mehr Beachtung finden. Ich werde die physikalisch-technischen Begriffe so knapp wie möglich halten, eben soweit sie zum Verständnis meiner Ausführungen unverzichtbar sind.

Und ich beginne bereits mit dem ersten Begriffspaar, das mir am Herzen liegt. Wenn in den Medien von neu installierten Windparks die Rede ist, dann wird nahezu immer die installierte Kapazität (Leistung) in Megawatt (MW) angegeben, zusammen mit erläuternden Statements wie, das sei ausreichend, um 5000 Haushalte mit Strom zu versorgen. Dieser Vergleich ist zwar einleuchtend, aber auch hochgradig irreführend. Denn 500 MW an installierter Windstromleistung sind eben nicht das gleiche wie 500 MW an konventioneller Kraftwerksleistung.

Warum ist das so? Nun, ein Kraftwerk, egal welcher Art, ist idealerweise darauf ausgelegt, permanent Strom zu liefern. Die Wirtschaftlichkeit der Anlage korreliert mit der Anzahl der Betriebsstunden. Das heißt, je länger die Anlage am Netz ist, umso unwirtschaftlicher ist ihr Betrieb. Konventionelle Kraftwerke sollen eben nicht ständig hoch- und runtergefahren werden.

Ein Jahr hat 8760 Stunden, und ein Kraftwerk mit einer Leistung von 1 Gigawatt ( 1 GW = 1000 MW) kann also idealerweise (bei permanentem Betrieb) 8760 GWh (Gigawattstunden) Strom (elektrischer Energie) pro Jahr liefern. Nun ist bekanntlich nichts ideal auf dieser Welt, und auch konventionelle Kraftwerke müssen gelegentlich gewartet werden, sodass im statistischen Mittel die gelieferte Strommenge etwas geringer sein wird als der Idealwert. Um ein Gefühl für diese Werte zu bekommen, sei auf die Statistiken der Internationalen Energieagentur verwiesen, die u.a.hier abrufbar sind. So ergibt sich etwa aus den Zahlen für Nuklearenergie, dass die zehn größten Produzenten durchschnittlich 8000 GWh pro installierter Leistung von 1 GW liefern. Für die 10 größten Produzenten von Wasserkraft liegt der entsprechende Wert bei knapp unter 3400 GWh/GW.

Wie sieht es bei den Erneuerbaren Energien in Deutschland aus?  Informationen hierzu finden sich in den Veröffentlichungen der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien. Aus den dort gegebenen Zeitreihen ergeben sich für die Produktivitäten im Zeitraum 2000 bis 2012 folgende Werte:

Wind (an Land und auf See):  ca. 1500 GWh/GW

Photovoltaik (PV)                   ca. 650 GWh/GW

Die Energieausbeute, insbesondere für PV, ist in Deutschland wesentlich geringer als in südeuropäischen Ländern (z.B. Spanien, wo der entsprechende Wert mehr als doppelt so hoch liegt). Den graphischen Verlauf der deutschen Zeitreihen veranschaulicht Fig. 1:

Fig. 1
Was die Zahl der tatsächlich erzeugten GWh pro Jahr betrifft, so liefert Fig. 2 hierzu Anschauungsmaterial. Die Kurven zeigen einen stark steigenden Trend, was angesichts des kräftigen Ausbaus der Kapazitäten nicht weiter erstaunlich ist. Und, was nach dem oben Gesagten nicht weiter verwunderlich ist, Wind generiert deutlich mehr Strom als Photovoltaik.

Fig. 2
Schließlich wollen wir uns ansehen, was es mit den EEG-Zahlungen an die glücklichen Besitzer von Wind- bzw. PV-Anlagen auf sich hat. Fig. 3 liefert uns hierzu Anschaungsmaterial. Was an dieser Graphik in Auge sticht, ist der Umstand, dass es die Photovoltaik trotz deutlich geringerer Produktionszahlen geschafft hat, die im Vergleich dazu produktivere Windenergie an EEG-Vergütungszahlungen auszustechen (ab 2010).

Fig. 3
Mit anderen Worten: Wer unwirtschaftlicher produziert, bekommt mehr Geld. Die EEG-Vergütungen an PV-Stromerzeuger waren 2013 fast doppelt so hoch wie jene an Windstromproduzenten. Das ist angesichts der Erkenntnisse, die wir in Fig. 1 gewonnen haben, nachgerade atemberaubend.

Eine Frage drängst sich unmittelbar auf: Würde man das gleiche Ergebnis bekommen, wenn man die Energieproduktion aus erneuerbaren Energien den reinen Marktkräften überließe?



2014/03/19

Eine neue Studie zum Energiesparen

Und wieder wird eine Sau durchs digitale Dorf getrieben. SPON berichtet von einer Studie, die behauptet, dass sich in den nächsten 20 Jahren (genauer: bis 2035) durch eine höhere Energieeffizienz insgesamt bis zu 20 Milliarden Euro einsparen ließen.

Studie, das klingt nach seriöser, wissenschaftlicher Vorgangsweise, durchgeführt von unbestechlichen Experten. Aber Studien werden auch oft mit einem Hintergedanken erstellt, um gewisse Aspekte der Welt hervorzuheben und andere in den Hintergrund zu rücken. Mit anderen Worten: nicht jedes Ding, das unter dem Titel Studie daherkommt, ist tatsächlich so unabhängig und objektiv, wie es der Name suggeriert.

Ganz nüchtern betrachtet, müsste jede Studie in der Tat völlig ergebnisoffen sein. Denn schließlich wagt man sich in Bereiche vor, die man noch nicht kennt. Und da ist bekanntlich vieles möglich. So ist es also nicht auszuschließen, dass eine Studie zum Energiesparen ergäbe, dass es hierfür praktisch kein weiteres Potenzial mehr gibt. Aber Nullergebnisse dieser Art sind nicht besonders beliebt, insbesondere wenn der Auftraggeber anderes im Sinn hat.Und wer würde schon für ein Ergebnis bezahlen wollen, das den eigenen Erwartungen widerspricht?

Überhaupt sollte man sich von Studien, so seriös sie auch daherkommen mögen, nicht ins Bockshorn jagen lassen. Seit Jahrzehnten versuchen Heerscharen von Wirtschaftswissenschaftlern mit immer ausgefeilteren Methoden und Hochleistungscomputern die wirtschaftliche Entwicklung für ein Jahr vorherzusagen - mit Ergebnissen, die man bestenfalls als dürftig bezeichnen kann. Wie muss es sich dann erst mit Prognosen verhalten, die Jahrzehnte in die Zukunft blicken und außerdem, verglichen mit den Ökonomen, eine deutlich geringere empirische Basis haben. Also ruhig Blut ist angesagt, wenn es wieder mal darum geht, den Zustand der Welt im Jahre 2035 zu erraten, denn um nichts anderes geht es in den allermeisten Studien.

In vielen dieser Untersuchungen geht es um Geld, so auch hier. Und wenn es um Geld geht, beeindrucken vor allem die großen Zahlen. Deshalb werfen viele Studien mit Milliarden nur so um sich. Und weil es sich um so große Beträge handelt, die auch der fließigste Bürger (von Einzelfällen abgesehen) niemals in seinem Leben erwirtschaften kann, lassen wir uns davon beeindrucken, mitunter auch einschüchtern.

Doch alles relativiert sich, sobald wir Milliarden mit Milliarden vergleichen. Der SPON-Artikel suggeriert, dass dieses gewaltige Einsparpotenzial den Anstieg des Strompreises, der in erster Linie auf die Ökostrom-Umlage zurückzuführen ist, "nicht nur bremsen, sondern sogar umkehren" könnte. Spätenstens hier ist der letzte schläfrige Leser aufgewacht, denn diese Aussichten wären ja zu schön, um wahr zu sein.

Die Ökostrum-Umlage, jener berüchtige Preistreiber, soll also de facto unschädlich gemacht werden. Nun gut, sehen wir uns mal diese Umlage etwas genauer an. Sie wird in dem neuesten Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation 2014 eingehend unter die Lupe genommen (Seite 51 des Gutachtens). Wenn man die dort aufgelisteten Zahlen zusammenzählt, dann ergbit sich für die gesamten geleisteten Vergütungszahlungen nach dem EEG (von 2000 bis 2013) die stolze Summe von fast 123 Milliarden EUR. Der Trend dieser Vergütungszahlungen war in all diesen Jahren stark steigend, und ich persönlich würde in absehbarer Zeit nicht mit einem rückläufigen Trend rechnen. Es wird also bis zum Jahr 2035, das Referenzjahr der Studie, noch einiges an Vergütungen nach dem EEG hinzukommen.

Aber stellen wir uns mal ganz dumm, und nehmen wir an, dass ab 2014 keine Ökostromvergütungen mehr ausgezahlt werden. Selbst unter dieser ganz unrealistischen Annahme würden die Einsparungen nur etwa 16% der bereits geleisteten EEG-Umlage ausmachen. De facto wird die Umlage jedoch weiterlaufen, sodass sich das Missverhältnis zwischen dem Einsparpotenzial und Ökostrom-Umlage weiter verstärken wird (und zwar zugunsten der letzteren). Allein in den Jahren 2012 und 2013 wurden jeweils mehr als 20 Milliarden EUR für diese Umlage ausgezahlt. Wie man unter diesen Umständen davon reden kann, dass sich der Preisschub sogar umkehren könnte, bleibt das Geheimnis der SPON-Redateurin bzw. der Studienautoren.




2014/02/26

Brain Drain

Spiegel Online beklagt die Abwanderung hochqualifizierter Wissenschaftler aus Deutschland. Betrachten wir die Sache ganz nüchtern: Wenn ein Land seinen intelligentesten Köpfen entsprechende Arbeitsbedingungen bietet, dann werden diese im allgemeinen auch dort bleiben. Wenn aber für diese der zu erwartende Nutzen in keinem Verhältnis zum vorausgehenden Aufwand steht, sieht die Sache schon anders aus.

Nun könnte man auch sagen: es wird über Bedarf produziert. Es gibt also mehr Spitzenforscher als Stellen für diese. Die unvermeidliche Folge ist: man exportiert Top-Leute ins Ausland. Aber es ist nicht nur das. Das deutsche Universitätssystem setzt seine jungen Talente einem Spießrutenlauf aus, an dessen Ende nicht sicher ist, ob der Kandidat mit einer sicheren Stelle (Professur) rechnen kann oder nicht. Denn Qualität scheint nicht die einzige Währung zu sein, die in diesem Spiel zählt. Auch die richtigen Leute zu kennen, kann über Sein oder Nichtsein entscheiden. Ich selbst kenne solche Fälle.

Fast noch ergiebiger als der SPON-Artikel ist der Kommentarteil, und hier vor allem jene Kommentare, die von ausgewanderten Wissenschaftler stammen. KEIN EINZIGER von diesen äußert den Wunsch, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Im Gegenteil, sie haben offenbar die richtige Entscheidung getroffen. Zugegeben, das mag keine objektive Stichprobe sein, aber eine klare Aussage ist es allemal. 

Während des Spießrutenlaufs ist die finanzielle Situation der angehenden Spitzenforscher nicht gerade rosig. Zum einen müssen sie sich von einem Zeitvertrag zum anderen hangeln, zum anderen werden sie mit Gehältern abgespeist, die ihren gleichaltrigen Kollegen aus der Industrie nur ein müdes Lächeln abringen. Und wer es nach 12 Jahren noch nicht geschafft hat, auf einem Professorenstuhl zu sitzen, der hat Pech gehabt: in der Regel zu alt für einen Industriejob, und ein weiterer Zeitvertrag würde die Universitätsverwaltung in unabsehbare rechtliche Probleme bringen - dann eben tschüss....

Es wäre allerdings allzu kurz gedacht, schöbe man alles auf rein finanzielle Faktoren. Wissenschaft gedeiht in einem bestimmten geistigen Klima. Also dort, wo die Neugier uneingeschränkt walten kann und der Fortschritt nicht als Bedrohung, sondern als Chance begriffen wird. Als Teil der Lösung und nicht als Teil (oder gar Ursache) des Problems. Doch gerade hier hat die Revolution der 68er ihren unverkennbaren Fußabdruck hinterlassen. Der Fortschrittsoptimismus jener, die Deutschland aus dem Trümmerfeld des Krieges aufgebaut haben, wich einer diffusen Zukunftsangst, die bis heute anhält. Dabei geht es in den wenigsten Fällen um eine sachlich-nüchterne Analyse der Chancen und Risiken, die jede wissenschaftliche Entwicklung notgedrungen mit sich bringt. Vielmehr bricht sich eine dumpfe Abwehrreaktion Bahn, die von Politik (wenigstens in Teilen) und Medien eilfertig bedient wird. Wie sonst ist es zu erklären, dass Leute, die ein überdurchschnittliches Bildungsniveau erlangt haben, ihre Kinder nicht mehr zum Impfen schicken? Wie sonst ist es zu erklären, dass die rot-grüne Landesregierung von Baden-Württemberg das Schulfach Biologie abschaffen will? In beiden Fällen geht es ausschließlich um Ideologie, mit einer sachlichen Auseinandersetzung hat das nichts zu tun. Und das ist nur die Spitze des Eisberges. Hier wird eine Wissenschafts- und Technikfeindlichkeit kultiviert, die ihre Schattenseiten mehr als deutlich offenbart.

Apropos geistiges Klima: Herausragend zu sein ist in Deutschland (auch in Österreich) suspekt. Dort wird eher das Mittelmaß gepflegt und gehätschelt. Das ist politisch opportun und bringt zudem mehr Wählerstimmen. Doch auch die Medien spielen hier einmal mehr eine Rolle. Menschen, die etwas Außergewöhnliches erreicht haben, machen sich verdächtig. Warum sollte einer, der überdurchschnittlich begabt ist und Entsprechendes geleistet hat, nicht auch überdurchschnittlich entlohnt werden?

In der Schule ist der Schwächste das Maß aller Dinge. Politik und Medien wollen es so. Keiner soll sozial benachteiligt sein. Die Aufmerksamkeit gilt dem Nachzügler. Der Überflieger hingegen läuft Gefahr zum Buhmann zu werden. Hauptsache, es geht "sozial gerecht" zu. Lieber lässt man die Guten verblöden, als dass man nicht versuchen würde, aus einem Blöden ein (verkanntes) Genie zu machen. Anstatt anzuerkennen, dass jeder andere Talente hat (und manche auch gar keins...), hängt man immer noch am Credo der 68er Pädagogik - in jedem Kind stecke ein potentieller Nobelpreisträger.

Unliebsame Entwicklungen geschehen selten über Nacht. Und oft genug gibt es dafür mehr als eine Ursache. Auf lange Sicht können so jedoch die Grundfesten eines (einstigen) Hochtechnologielandes erodiert werden.



2014/02/13

Gefährliche Demokratie

Ein Abstimmungsergebnis kann manchmal recht eigenwillige Folgen nach sich ziehen. Nachdem sich die Schweizer mehrheitlich gegen eine unbegrenzte Zuwanderung ausgesprochen haben, schrillen nun mancherorts die Alarmglocken, kuriose Zwischentöne inklusive.

So meinte ein Politikwissenschaftler in einem ARD-Interview wörtlich:
Die direkte Demokratie in Schweiz ist nicht ungefährlich
Müsste es grammatikalisch korrekt nicht doch eher "in der Schweiz" heißen? Egal. 

Doch unabhängig von solchen linguistischen Spitzfindigkeiten, ist es doch bemerkenswert, dass man das elementare Wesen der Mitbestimmung des Volkes als "nicht ungefährlich" bezeichnet. Im Umkehrschluss bedeutet das dann wohl, dass direkte Demokratie gefährlich sei. Das hat was!

Das wirft natürlich die Frage auf: Gefährlich für wen? Für jene Seite, die bei der Abstimmung unterliegt? Für diejenigen, die an der Macht sind und sich plötzlich der Unterstützung ihres Stimmviehs nicht mehr sicher sein können? Für die eingeweihten Zirkel der selbsternannten Eliten, die ihr Geld mit hippen Powerpoint-Präsentationen und salbungsvollem Geschwafel im politkorrekten Einmaleins verdienen und sich nunmehr mit Folgen herumschlagen müssen, die außerhalb ihres Weltbildes liegen?

Nun müsste, streng genommen, diese Gefährlichkeit unabhängig von Ausgang des Votums konstatiert werden. Oder anders formuliert: Hätte der Politikwissenschaftler auch so gesprochen, wenn das Resultat gerade andersherum ausgefallen wäre?

Das eigentlich Spannende an diesem Abstimmungsergebnis ist weniger sein Ausgang, als vielmehr die Reaktion, die es in den Kreisen des politisch-medialen Komplexes ausgelöst hat. Und eine dieser Reaktionen besagt eben, dass die direkte Demokratie (in der Schweiz zumindest) nicht ungefährlich sei. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Was aber ist die Konsequenz aus solchen, im Grunde genommen antidemokratischen Überlegungen? Abstimmungen aussetzen oder gar nicht erst ansetzen, wenn ein Thema zu "heiß" ist? Möglichkeiten schaffen, Volksentscheide durch das politische Establishment aufheben zu können? Die letzte (oder alleinige) Entscheidung in die Hände eines "Politbüros" zu legen? Sind diese Optionen wirklich völlig gefahrlos?






2014/02/11

Beim Buffet

... kann sich bekanntlich jeder nehmen, was und wieviel er will. Und es ist wohl auch keine nobelpreisverdächtige Entdeckung, dass sich jeder in erster Linie das nimmt, was ihm (am besten) schmeckt.
So halte ich es jedenfalls, und ich kenne auch niemanden, der es anders machen würde. Insofern ist die Bemerkung von Martin Schulz, ehemaliger Bürgermeister von Würselen, (zitiert in der Wirtschaftswoche) nicht besonders überraschend. Er meint nämlich:

Die Schweiz nimmt nur das vom Buffet Europa, was ihr schmeckt. 

 Offenbar will uns Herr Schulz damit sagen, dass die Schweizer gefälligst auch das Nicht-so-Schmackhafte nehmen sollten. Oder hab ich da was falsch verstanden?