2017/01/08

Jahreswechsel in Köln

In Köln beschützte die Polizei mit einem Großaufgebot Leute, denen man jederzeit auf der Strasse begegnen könnte, vor anderen Leuten, denen man jederzeit auf der Strasse begegnen könnte.

2016/08/17

Weiterleben wie gewohnt

Jedes Mal, wenn sich in Europa ein Terroranschlag ereignet, rücken die selbsternannten Experten aus und erklären wortgewandt, dass wir uns von derlei Dingen nicht aus der Ruhe bringen lassen sollen. Vielmehr gelte es, seinen gewohnten Lebensrhythmus beizubehalten. Denn die Terroristen wollen uns, so eine gängige These, nur "erschrecken".

Dem sollte man vor allem eines entgegensetzen: Weiterleben wie gewohnt!

Was genau darunter zu verstehen ist, wird inzwischen immer klarer. In Frankreich werden Großereignisse in Lille und anderswo abgesagt. Auf dem demnächst stattfindenden Oktoberfest werden Rucksäcke verboten sein.

So sieht es also aus, wenn wir weiterleben sollen wie gewohnt.



2016/07/01

Herrn Misiks Gespür für Logik

Oder sollte man eher sagen: Herrn Misiks mangelndes Gespür für Logik? Denn nicht anderes manifestiert sich in einem hochemotionalen Artikel, den dieser Herr heute auf SPON veröffentlicht hat. Darin schreibt er wörtlich:

In Österreich werden Wahlen sogar dann wiederholt, wenn nachweislich nicht manipuliert wurde.

Offenbar hat der Autor die Begründung des Gerichts zur Aufhebung der letzten Bundespräsidentenwahl nicht sorgfältig genug gelesen. Darin heißt es ausdrücklich, dass eine Wahlmanipulation nicht nachgewiesen werden konnte. Das ist aber etwas völlig anderes als zu sagen, es wurde nachgewiesen, dass nicht manipuliert wurde.

Es sieht nach einer Spitzfindigkeit aus, aber ich mag es grundsätzlich nicht, wenn Leute Aussagen verdrehen. Und die oben getroffene Wortwahl des Autors riecht schon sehr streng nach Manipulation. Aber ich mag mich ja täuschen.

Um das logische Problem an einem anderen Beispiel zu verdeutlichen:

Jemand sagt: Man kann die Existenz Gottes nicht beweisen.
Das ist aber logisch gesehen nicht das gleiche wie zu sagen, man hätte bewiesen, dass Gott nicht existiert.

Mehr ist zu diesem Artikel auch gar nicht zu sagen.

2016/05/18

BP-Stichwahl ohne Umfragen

In nicht mal einer Woche wird ein neuer Bundespräsident in Österreich gewählt. Und der aufmerksame Beobachter wird einen kleinen, aber feinen Unterschied zum ersten Wahlgang festellen: Während bei der Wahl im April regelmäßig von den Umfrageergebnissen berichtet wurde, ist es diesmal sonderbar still. Die Online-Zeitungen scheinen den Umfragen keine Beachtung zu schenken.
Woran das wohl liegen mag?
Nach dieser Auswertung scheint Hofer im Augenblick die Nase vorn zu haben: 53:47.
Das gegenwärtige Schweigen ist umso beredter, als bei den Umfragen im ersten Wahlgang VdB fast immer die Nase vorn hatte und auch ständig davon berichtet wurde.

Ein Schelm, wer denkt, die Medien würden genüsslich den Umfragevorsprung ihres Favoriten freudig in die Welt tragen, wenn, ja wenn es nur der Richtige wäre.

2016/04/19

Zwei Versprecher zu 9/11

Der Zufall wollte es, dass sich zwei Personen des öffentlichen Lebens auf etwas "eigentümliche" Art zu den Anschlägen des 11. September 2001 (9/11 in amerikanischer Diktion) äußern.

Donald Trump, der Gottseibeiuns der deutschen Gutmedien, verwechselte doch glatt 9/11 mit 7-Eleven, einer US-Supermarktkette. Auf SPON wird sofort eilfertig über den Lapsus berichtet. Denn alles auch nur entfernt Schlechte über Donald muss sofort in die Welt der Wohlmeinenden hinaustrompetet werden.

Zufälligerweise, wie schon gesagt, äußerte sich heute auch die schwedische Vizepremierministerien Asa Romson über jenes denkwürdige Attentat. Sie sprach dabei im Frühstücksfernsehen des schwedischen Fernsehens SVT wörtlich von den "Unfällen des 11. September". Merkwürdigerweise berichtet SPON über diese - sagen wir mal - eigentümliche Wortwahl nichts. Ob das auch ein Zufall ist?

Trump und Romson haben nicht viel gemeinsam. Während Trump sich zur Zeit um ein öffentliches Amt bewirbt, bekleidet Romson schon ein solches, nämlich ein hohes Regierungsamt in einem europäischen Land. Und auch sonst dürften die Differenzen überwiegen, auch was die Beckmessereien (oder auch nicht) der deutschen Medien gegenüber beiden betrifft.


2016/03/22

Anmerkungen zu Brüssel

Ich habe bis vor nicht allzu langer Zeit in Brüssel gelebt. Mehr als ein Jahrzehnt lang. Es gibt nur wenige Leute, die mir etwas über diese Stadt erzählen könnten, was ich nicht schon selbst wüsste.
Ich habe mehr als einmal die U-Bahnstation Maalbeek benutzt, und auch den Flughafen Brüssel kenne ich wie meine sprichwörtliche Westentasche. Die Orte auf den Bildern, die heute im Netz gezeigt wurden, sind mir sehr gut vertraut.

Ich weiß nicht, ob sich unter den Opfern Leute befinden, die ich kenne. Möglich wäre es, obwohl die Wahrscheinlichkeit bei einer Großstadt von etwa einer Million Einwohnern gering ist.

Nirgendwo sonst habe ich so viele Leute kennengelernt, die Opfer von Verbrechen (Diebstahl, Raubüberfall, Einbruch, Vergewaltigung) geworden sind wie in Brüssel. Ich sage das sine ira et studio, also ohne mich ereifern zu wollen. Es ist einfach ein Fakt. Mehr nicht.

Nach den tragischen Ereignissen von heute morgen treten überall die selbsternannten Erklärer und Phrasendrescher auf, die uns zwar nichts erklären, aber dafür umso mehr einschwören wollen auf ihre Weltsicht. Das ist nicht das Ziel dieses Postings. Ich will niemanden einschwören, auf welche Art der Wahrheit auch immer. Warum sollte ich auch? Ich will nur berichten von meinen eigenen Erfahrungen und denen von Leuten, die ich kenne.

Da war die ehemalige Kollegin, die eines Tages feststellt, dass ihr (katholischer) Sohn plötzlich kein Schweinefleich mehr isst und den Ramadan streng befolgt.

Da waren die Meldungen im belgischen Radio (ist schon ein paar Jahre her, irgendwann wollte ich mir diese Dinge einfach nicht mehr anhören), dass Eltern sich schon während der Nacht um Schulplätze für ihre Kinder anstellen, um nur ja in einer "guten" Schule zu landen. Vieles im Leben dieser Stadt (und nicht nur dort) ist verklausuliert. Man redet über bestimmte Dinge in einer ganz bestimmten Weise, ohne Ross und Reiter zu nennen. Aber sofern man nicht ganz verblödet oder ideologisch borniert ist, weiß man schon bald, warum gewisse Dinge der Fall sind. Man würde niemals sagen: ich will nicht, dass meine Kinder in Schule X gehen, weil dort Y ist. So etwas offen zu sagen, kann einen Kopf und Kragen kosten. Also unterlässt man es und drückt sich in einer anderen Weise aus. Aber wie gesagt, irgendwann weiß man, was gemeint ist.

Da waren die Meldungen (wieder im belgischen Radio), dass diese oder jene Buslinie heute wieder bestreikt wird, weil in der Nacht zuvor ein Busfahrer attackiert wurde. Das kam sehr häufig.

Auch das Zugpersonal war öfter Aggressionen ausgesetzt. Ich meine mich zu erinnern, dass es beinahe täglich zu Zwischenfällen kam. Ob das heute auch noch so ist, weiß ich nicht.

Einmal, auch schon ein paar Jahr her, wurde ich Zeuge eines Bettelseminars. Da stieg ein junger Mann (vielleicht Sozialarbeiter?) zusammen mit ein paar Leuten in die U-Bahn, und dann wurde Betteln simuliert und zwar mit Hilfe einer Videokamera. Die einzelnen Bettelversuche der "Kandidaten" wurden gefilmt und gleich darauf mit diesen besprochen. Schließlich ist ja auch die Technik des Betteln entwicklungsfähig. Da gab es praktische Tips, wie man es "besser" anstellt.

Ein andermal wurde ich beinahe Zeuge eines Einbruchs bei einem Nachbarn. Ohne auf Details einzugehen, als mich die Polizei nach der Beschreibung der Täter fragte, erklärte man mir, dass Tätergruppen mit unterschiedlichem "Hintergrund" auch unterschiedliche Aktivitätsprofile hatten. Die einen suchen eher nach Schmuck, die anderen nach Bargeld, wieder andere nach Computern oder Kreditkarten. Eine nicht nur kriminalistische, sondern auch ethnische Spezialisierung. Echt spannend, was man bei einem Polizeiinterview so alles lernt.

Bei einem Sicherheitsseminar (ja auch sowas gibt es in Brüssel) hörte ich etwas über die Vorgehensweise von Kriminellen mit einem ganz spezifischen Hintergrund, der hier nicht genannt werden soll. Und die geht so: Vorne sind die zwei Jungen (in der Regel Teenager, manchmal auch jünger), die ihre Fähigkeiten der Ablenkung und des Diebstahls perfektionieren wollen (oder müssen?). Ein paar Schritte dahinter ist der Leitwolf, der ein Auge auf seine Schäfchen hat und wenn nötig eingreift. Die Jungen müssen erst noch ihre Sporen verdienen, und irgendwann wollen sie ja selbst Leitwolf werden und die Karriereleiter hochklettern. So wird der Grundstein für eine kleinkriminelle Laufbahn gelegt, die mitunter in höhere Sphären führt. Diese Art der Täter schreckt auch nicht vor handgeiflicher Gewalt zurück, insbesondere bei numerischer Überlegenheit.

Vor etlichen Gebäuden der Stadt sind seit Monaten Soldaten postiert. Auch am Brüsseler Flughafen. Bei einer meiner letzten Ankünfte in Zaventem zählte ich nicht weniger als vier gepanzerte Fahrzeuge. Wie wirkungsvoll (oder eher: wirkungslos) diese Maßnahme ist, hat sich heute eindrucksvoll erwiesen. Es ist im Grunde nur ein Placebo, das die Aktivität der Verantwortlichen suggerieren soll. Mehr nicht.

Schon bald wird man mit den Fingern auf die Sicherheitsdienste zeigen und ihnen Versagen vorwerfen. Man wird auf die komplizierte Struktur der Brüsseler Polizei verweisen und sagen, dass es hier und dort Versäumnisse gegeben hat, die in letzter Konsequenz zu den aktuellen Terrortaten beigetragen haben. Und man wird sich für sehr klug dabei halten.

Nebbich. Warum? Nun, dazu ein paar einfache Überlegungen: Allein die Tatsache, dass sich der Hauptverdächtige der Pariser Anschläge monatelang vor der Polizei verstecken konnte, weist darauf hin, dass es eine große Unterstützerszene gibt. Natürlich sind nicht alle Unterstützer potenzielle Terroristen. Soweit, so trivial. Aber dennoch sind Unterstützer vital für Leute, die zur Tat schreiten wollen. Und auch von letzteren gibt es viele. Ich schätze mal einige Tausend allein in Belgien.
Wenn es nun einer gefühlten Hundertschaft von Polizeikräften bedarf, um EINEN Verdächtigen zu fassen, wieviele Leute braucht man dann, um - sagen wir - gegen 500 bewaffnete Kämpfer vorzugehen? Eine Infanteridivision, das gesamte belgische Militär?

Außerdem: Wie will man Tausende potenzielle Terroristen observieren? Ein Ding der Unmöglichkeit, und ich rede noch gar nicht mal von den Schwierigkeiten, dieses besondere Milieu zu infiltrieren.

Abschließend noch die Frage: War ich überrascht über die heutigen Ereignisse in Brüssel? Nein.


2016/02/17

Rom und die Barbaren - Anmerkungen zu P. Heathers The Fall of the Roman Empire

Dass das weströmische Reich vor mehr als 1500 Jahren den Gang alles Irdischen ging, dürfte den meisten Leuten (auch in Zeiten endloser Bildungsreformen) bekannt sein. Im Jahre 476 n. Chr. wurde es offiziell für nicht mehr existent erklärt. Damit war eine für Westeuropa entschiedenermaßen kulturbildende Kraft ein für allemal versiegt.

Der britische Historiker Peter Heather hat den Untergang dieses Reiches minutiös nachgezeichnet. Und seine Erkenntnisse sind gewiss bedeutsam. Denn hier erfährt der interessierte Leser etwas mehr als die übliche Litanei, dass Rom im wesentlichen an seiner Dekadenz zugrunde ging. 

Heather ist sehr an militärischen Kräfteverhältnissen interessiert. Seiner Logik nach hatten Ost- und Westrom zusammen genommen einfach nicht mehr die Kraft, sich einer Barbareninvasion an Donau und Rhein erfolgreich entgegenzustellen. Der hauptsächliche Grund waren zunächst die Probleme Ostroms an der persischen Peripherie. Dort hatte sich ein ernst zu nehmender Gegner etabliert, der den Römern einige empfindliche Niederlagen zufügte. Auch nach einem Friedensschluss blieben immer noch starke Kräfte an dieser Front gebunden, die natürlich dann nirgendwo anders mehr zur Verfügung standen.

Im Zuge dieser Schwächung der eigenen Verteidigungskraft gelang es den Ostgoten, die Grenze an der unteren Donau zu überschreiten und sich innerhalb des (ost)römischen Staatsgebiets niederzulassen. Die Ostgoten ihrerseits waren auf der Flucht vor den anstürmenden Hunnen, also Flüchtlinge. Auch als sich die Neuankömmlinge als etwas widerborstig erwiesen, sich also - in moderner Diktion - nicht gut integrierten, gelang es nicht, die Ostgoten wieder in ihr heimatlichen Gefilde zurückzudrängen. Im Gegenteil, die germanischen Barbaren zogen eine Spur der Verwüstung auf oströmischem Boden.

Wenig später erwies sich die Rheingrenze als brüchig, und weitere Barbarenstämme zogen mehr oder weniger ungehindert durch (west)römisches Staatsgebiet, bis auf die iberische Halbinsel und Nordafrika (Vandalen). Den Römern gelang es nur punktuell, diesem Treiben Einhalt zu gebieten. Mit zunehmender Dauer der barbarischen Invasion erwies sich das einst so stolze Reich als immer unfähiger, sein eigenes Territorium zu kontrollieren.

Heather ist hervorragender Erzähler, und er weiß das auch. Manchmal ist seine Erzählerei etwas weitschweifig, ohne wirklich etwas Entscheidendes zum Verständnis des Ganzen beizutragen. Ein Straffung des Textes hätte an manchen Stellen gut getan.      

Andererseits schafft er es mitunter, einen lebhaften Einblick in zentrale Aspekte des römischen Lebens zu geben, was durchaus positiv zu vermerken ist. Einer dieser Aspekte ist das nicht enden wollende, mörderische Intrigenspiel, das sich um den (west)römischen Thron entspann und das mit zunehmender Dauer immer verderbliche Züge annahm. Denn es war eben nicht nur der amtierende Kaiser (Caesar), der einer Palastrevolte zum Opfer fiel, sondern auch etliche Vertreter der (höheren) Administration, die dann im Nachklang um ihr Leben fürchten mussten. Auch vor Frauen und Kindern machten die Häscher des öfteren nicht halt.

Wenn also das Rückgrat des Kaiserreichs einer derartigen Fragilität ausgesetzt war, ist es eigentlich nicht mehr verwunderlich, dass die Wehrhaftigkeit des Ganzen Schaden nehmen musste. Dazu kam noch eine Reihe weiterer Faktoren wie wegbrechende Steuereinnahmen, die die Finanzierung des Berufsheeres immer schwieriger machten. Ein entscheidender Faktor war wohl auch die Tatsache, dass viele Großgrundbesitzer schon früh die Zeichen der Zeit erkannten und sich auf einen Deal mit den neuen barbarischen Machthabern einließen in der Hoffnung, so wenigstens einen Teil ihres Besitzes retten zu können. Dadurch ergab sich eine Verschiebung der Loyalitäten von den ursprünglichen römischen Herren zu den Barbaren.

Es war wohl eine Kombination von Umständen, die zum Fall Westroms beitrug. Das militärische Argument ist sicherlich bedeutsam, aber aus meiner Sicht nicht so gewichtig, wie Heather uns glauben machen will. Die Situation an der Spitze des Staates trug wohl ebenso dazu bei, dass die Reaktion auf die Invasion der Barbaren nicht so ausfiel, wie sie hätte ausfallen müssen, um den Bestand des Reiches nicht zu gefährden.