2015/03/06

Betrachtungen über Zinsen und Risiken

Es gibt Leute, die Geld haben, und solche, die Geld brauchen. Auf diese Weise kommt der Geldverleih zustande. Doch ist es üblicherweise nicht damit getan, dass der Gläubiger dem Schuldner eine Summe, sagen wir 1000 Larifari, zur Verfügung stellt und dann im guten Glauben darauf vertraut, den verliehenen Betrag wieder zurückzubekommen. Denn allzu oft ist der Schuldner nicht in der Lage den Betrag ganz oder wenigstens teilweise oder auch nur innerhalb der gesetzten Frist zurückzuzahlen.

Der Gläubiger fordern deswegen einen Zins, um sich gegen ein Ausfallrisiko abzusichern. Und die Höhe des Zinses ist üblicherweise an die Kreditwürdigkeit (Bonität) des Schuldner gebunden. Einem unsicheren Geschäftspartner wird ein höherer Zins abverlangt. Zumindest in freien Gesellschaften, wo Bürger ohne Einflussnahme Dritter Verträge nach eigenem Ermessen abschließen können, ist das so.

Der Zins reflektiert jedoch nicht nur die Qualität des Schuldners, sondern auch den erwarteten Verfall des Geldwertes, also das, was unter dem etwas schwammigen Begriff der Inflation daherkommt. Denn der Gläubiger will sicherstellen, dass er von dem zurückbekommenem Geld den gleichen Gegenwert an Gütern erwerben kann wie beim Abschluss des Geschäftes.

Es sind also zwei Faktoren, Ausfallrisiko und Geldentwertung, die durch den (positiven) Zins abgebildet werden. Die beiden Faktoren haben eine durchaus unterschiedliche Qualität. Denn das Ausfallrisiko hängt wesentlich mit der Persönlichkeit des Schuldners zusammen, während die Geldentwertung die wirtschaftliche Entwicklung reflektiert.

Bis in die jüngste Vergangenheit waren positive Zinsen der absolute Standard. Es galt als ausgemacht, dass das Geld sukzessive an Wert einbüßt, und schon allein deswegen mussten die Zinsen positiv sein. Und die Kreditwürdigkeit des Schuldners tat noch ein übriges.

Nun kann der Fall eintreten, dass sich die Geldentwertung allmählich abschwächt und schließlich ganz verschwindet. Zumindest kann dies so aussehen, wenn die Preise unverändert bleiben, auch wenn bestimmte Akteure Geld in den Wirtschaftskreislauf pumpen. In diesem Fall bräuchte man keinen Zins mehr, um den Verfall des Geldwertes auszugleichen.

Es soll in der Geschichte Perioden gegeben haben, wo es praktisch keine Inflation gab. Diese Perioden besaßen auch keinerlei wirtschaftliche Dynamik. Dennoch nahmen die Geldverleiher positive Zinsen. Wegen der Ausfallrisiken.

Inzwischen hat sich das Rad der Finanzmathematik weiter gedreht, und negative Zinsen werden immer beliebter. Für das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner bedeutet das, dass der Gläubiger nach Ablauf der Kreditfrist weniger Geld zurückbekommt, als er dem Schuldner ausgeliehen hat. In einem Szenario mit sinkenden Preisen hat das eine gewisse Plausibilität. Denn wenn die Kaufkraft der beiden Geldbeträge am Anfang und Ende der Kreditlaufzeit dieselbe ist, hat der Gläubiger faktisch keinen Nachteil erlitten. Konkret gesprochen: Wenn die Kaufkraft von 1000 Larifari am Beginn eines Jahres dieselbe ist wie jene von 900 Larifari am Ende des Jahres.

Das Bemerkenswerte an den negativen Zinsen ist nun, dass hierbei die Ausfallrisiken nicht entsprechend gewürdigt werden. Es sei denn, man ginge davon aus, dass OHNE die Ausfallrisiken die Zinsen noch stärker negativ sein müssten, was eine gewisse Plausibilität hätte.

Eine Ungereimtheit bleibt dennoch. Wenn man, auch bei einem deflationären Szenario, am Ende weniger in der Tasche hat als am Beginn (bei gleicher Kaufkraft, wohlgemerkt), warum würde dann jemand nicht einfach auf seinem Geld sitzen bleiben und es nicht verleihen? Schließlich hätte er in diesem Fall am Ende des Jahres mehr Kaufkraft als zu Jahresanfang. In einem deflationären Umfeld bei negativen Zinsen Geld zu verleihen, ist in dieser Betrachtungsweise schon ein bisschen spinnig.

Was aber, wenn es auf der einen Seite eine (vermeintliche) Deflation mit negativen Kreditzinsen gibt, während auf der anderen Seite die Preise bestimmter Güter, die nicht in der offiziellen Inflation erfasst werden, anziehen (asset inflation)? Dann würde nur noch ein Verrückter sein Geld verleihen. Denn der Erwerb von Vermögenswerten (assets) würde potentiellen Gläubiger viel reicher machen als die Vergabe von Krediten zu negativen Zinsen.