2014/07/23

Warum habt Ihr nichts getan?

So lautet seit Jahrzehnten der Standardvorwurf der Nachgeborenen an die Generation der Großväter, wenn es um die Vertreibung und Vernichtung der Juden während der NS-Zeit geht. Unzählige Mahnmale, Museen, Gedenkveranstaltungen hat Europa seit jenen dunklen Tagen gesehen. Und man konnte meinen, dass dieser Gedenkmarathon mit dem ominösen "Nie wieder!" eigentlich Früchte tragen müsste.

Doch weit gefehlt. Inzwischen werden Juden wieder gejagt in Europa. Und im Gegensatz zu den 1930er Jahren können wir es live im Fernsehen oder auf YouTube mitverfolgen. Diesmal wird es also viel schwieriger zu sagen: Wir haben nichts gewusst.

Und diejenigen, die normalerweise an vorderster Front die Schatten der Vergangenheit heldenmutig bekämpfen, die Politiker also, stellen ihr Versagen angesichts eines gewalttätigen Mobs "mit Hintergrund" offen zur Schau. Die Falle der politischen Korrektheit schnappt nunmehr zu. Während es bei dumpfbackgien Neonazis ein Leichtes ist, sich zum Retter der Welt aufzuschwingen (es gibt ja, zum Glück, nur sehr wenige davon), sieht die Sache bei einer Bevölkerungsgruppe, deren demographisches Gewicht im Zunehmen begriffen ist und deren Wählerstimmen gerne gefragt sind, schon ganz anders aus.

Jeder deutsche Michel, der irgendwo Unbotmäßiges von sich gibt, bekommt sofort die volle Härte des Gesetzes zu spüren. Wenn es sich aber um Leute "mit Hintergrund" handelt, dann dürfen die schon mal ein Polizeimikrofon benutzen, ohne dass es Konsequenzen gibt. Man stelle sich vor, so etwas wäre bei einer Demonstration von Neonazis geschehen - der Rücktritt des Innenministers wäre das mindeste, von Lichterketten und sonstigem Brimborium ganz zu schweigen.

Ein Gespenst geht um in Europa. Es sieht nicht gut aus, was sich da zusammenbraut. Werden wir in ein paar Jahren an die heute Verantwortlichen die Frage stellen müssen: Warum habt Ihr nichts getan?