2014/02/26

Brain Drain

Spiegel Online beklagt die Abwanderung hochqualifizierter Wissenschaftler aus Deutschland. Betrachten wir die Sache ganz nüchtern: Wenn ein Land seinen intelligentesten Köpfen entsprechende Arbeitsbedingungen bietet, dann werden diese im allgemeinen auch dort bleiben. Wenn aber für diese der zu erwartende Nutzen in keinem Verhältnis zum vorausgehenden Aufwand steht, sieht die Sache schon anders aus.

Nun könnte man auch sagen: es wird über Bedarf produziert. Es gibt also mehr Spitzenforscher als Stellen für diese. Die unvermeidliche Folge ist: man exportiert Top-Leute ins Ausland. Aber es ist nicht nur das. Das deutsche Universitätssystem setzt seine jungen Talente einem Spießrutenlauf aus, an dessen Ende nicht sicher ist, ob der Kandidat mit einer sicheren Stelle (Professur) rechnen kann oder nicht. Denn Qualität scheint nicht die einzige Währung zu sein, die in diesem Spiel zählt. Auch die richtigen Leute zu kennen, kann über Sein oder Nichtsein entscheiden. Ich selbst kenne solche Fälle.

Fast noch ergiebiger als der SPON-Artikel ist der Kommentarteil, und hier vor allem jene Kommentare, die von ausgewanderten Wissenschaftler stammen. KEIN EINZIGER von diesen äußert den Wunsch, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Im Gegenteil, sie haben offenbar die richtige Entscheidung getroffen. Zugegeben, das mag keine objektive Stichprobe sein, aber eine klare Aussage ist es allemal. 

Während des Spießrutenlaufs ist die finanzielle Situation der angehenden Spitzenforscher nicht gerade rosig. Zum einen müssen sie sich von einem Zeitvertrag zum anderen hangeln, zum anderen werden sie mit Gehältern abgespeist, die ihren gleichaltrigen Kollegen aus der Industrie nur ein müdes Lächeln abringen. Und wer es nach 12 Jahren noch nicht geschafft hat, auf einem Professorenstuhl zu sitzen, der hat Pech gehabt: in der Regel zu alt für einen Industriejob, und ein weiterer Zeitvertrag würde die Universitätsverwaltung in unabsehbare rechtliche Probleme bringen - dann eben tschüss....

Es wäre allerdings allzu kurz gedacht, schöbe man alles auf rein finanzielle Faktoren. Wissenschaft gedeiht in einem bestimmten geistigen Klima. Also dort, wo die Neugier uneingeschränkt walten kann und der Fortschritt nicht als Bedrohung, sondern als Chance begriffen wird. Als Teil der Lösung und nicht als Teil (oder gar Ursache) des Problems. Doch gerade hier hat die Revolution der 68er ihren unverkennbaren Fußabdruck hinterlassen. Der Fortschrittsoptimismus jener, die Deutschland aus dem Trümmerfeld des Krieges aufgebaut haben, wich einer diffusen Zukunftsangst, die bis heute anhält. Dabei geht es in den wenigsten Fällen um eine sachlich-nüchterne Analyse der Chancen und Risiken, die jede wissenschaftliche Entwicklung notgedrungen mit sich bringt. Vielmehr bricht sich eine dumpfe Abwehrreaktion Bahn, die von Politik (wenigstens in Teilen) und Medien eilfertig bedient wird. Wie sonst ist es zu erklären, dass Leute, die ein überdurchschnittliches Bildungsniveau erlangt haben, ihre Kinder nicht mehr zum Impfen schicken? Wie sonst ist es zu erklären, dass die rot-grüne Landesregierung von Baden-Württemberg das Schulfach Biologie abschaffen will? In beiden Fällen geht es ausschließlich um Ideologie, mit einer sachlichen Auseinandersetzung hat das nichts zu tun. Und das ist nur die Spitze des Eisberges. Hier wird eine Wissenschafts- und Technikfeindlichkeit kultiviert, die ihre Schattenseiten mehr als deutlich offenbart.

Apropos geistiges Klima: Herausragend zu sein ist in Deutschland (auch in Österreich) suspekt. Dort wird eher das Mittelmaß gepflegt und gehätschelt. Das ist politisch opportun und bringt zudem mehr Wählerstimmen. Doch auch die Medien spielen hier einmal mehr eine Rolle. Menschen, die etwas Außergewöhnliches erreicht haben, machen sich verdächtig. Warum sollte einer, der überdurchschnittlich begabt ist und Entsprechendes geleistet hat, nicht auch überdurchschnittlich entlohnt werden?

In der Schule ist der Schwächste das Maß aller Dinge. Politik und Medien wollen es so. Keiner soll sozial benachteiligt sein. Die Aufmerksamkeit gilt dem Nachzügler. Der Überflieger hingegen läuft Gefahr zum Buhmann zu werden. Hauptsache, es geht "sozial gerecht" zu. Lieber lässt man die Guten verblöden, als dass man nicht versuchen würde, aus einem Blöden ein (verkanntes) Genie zu machen. Anstatt anzuerkennen, dass jeder andere Talente hat (und manche auch gar keins...), hängt man immer noch am Credo der 68er Pädagogik - in jedem Kind stecke ein potentieller Nobelpreisträger.

Unliebsame Entwicklungen geschehen selten über Nacht. Und oft genug gibt es dafür mehr als eine Ursache. Auf lange Sicht können so jedoch die Grundfesten eines (einstigen) Hochtechnologielandes erodiert werden.



2014/02/13

Gefährliche Demokratie

Ein Abstimmungsergebnis kann manchmal recht eigenwillige Folgen nach sich ziehen. Nachdem sich die Schweizer mehrheitlich gegen eine unbegrenzte Zuwanderung ausgesprochen haben, schrillen nun mancherorts die Alarmglocken, kuriose Zwischentöne inklusive.

So meinte ein Politikwissenschaftler in einem ARD-Interview wörtlich:
Die direkte Demokratie in Schweiz ist nicht ungefährlich
Müsste es grammatikalisch korrekt nicht doch eher "in der Schweiz" heißen? Egal. 

Doch unabhängig von solchen linguistischen Spitzfindigkeiten, ist es doch bemerkenswert, dass man das elementare Wesen der Mitbestimmung des Volkes als "nicht ungefährlich" bezeichnet. Im Umkehrschluss bedeutet das dann wohl, dass direkte Demokratie gefährlich sei. Das hat was!

Das wirft natürlich die Frage auf: Gefährlich für wen? Für jene Seite, die bei der Abstimmung unterliegt? Für diejenigen, die an der Macht sind und sich plötzlich der Unterstützung ihres Stimmviehs nicht mehr sicher sein können? Für die eingeweihten Zirkel der selbsternannten Eliten, die ihr Geld mit hippen Powerpoint-Präsentationen und salbungsvollem Geschwafel im politkorrekten Einmaleins verdienen und sich nunmehr mit Folgen herumschlagen müssen, die außerhalb ihres Weltbildes liegen?

Nun müsste, streng genommen, diese Gefährlichkeit unabhängig von Ausgang des Votums konstatiert werden. Oder anders formuliert: Hätte der Politikwissenschaftler auch so gesprochen, wenn das Resultat gerade andersherum ausgefallen wäre?

Das eigentlich Spannende an diesem Abstimmungsergebnis ist weniger sein Ausgang, als vielmehr die Reaktion, die es in den Kreisen des politisch-medialen Komplexes ausgelöst hat. Und eine dieser Reaktionen besagt eben, dass die direkte Demokratie (in der Schweiz zumindest) nicht ungefährlich sei. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Was aber ist die Konsequenz aus solchen, im Grunde genommen antidemokratischen Überlegungen? Abstimmungen aussetzen oder gar nicht erst ansetzen, wenn ein Thema zu "heiß" ist? Möglichkeiten schaffen, Volksentscheide durch das politische Establishment aufheben zu können? Die letzte (oder alleinige) Entscheidung in die Hände eines "Politbüros" zu legen? Sind diese Optionen wirklich völlig gefahrlos?






2014/02/11

Beim Buffet

... kann sich bekanntlich jeder nehmen, was und wieviel er will. Und es ist wohl auch keine nobelpreisverdächtige Entdeckung, dass sich jeder in erster Linie das nimmt, was ihm (am besten) schmeckt.
So halte ich es jedenfalls, und ich kenne auch niemanden, der es anders machen würde. Insofern ist die Bemerkung von Martin Schulz, ehemaliger Bürgermeister von Würselen, (zitiert in der Wirtschaftswoche) nicht besonders überraschend. Er meint nämlich:

Die Schweiz nimmt nur das vom Buffet Europa, was ihr schmeckt. 

 Offenbar will uns Herr Schulz damit sagen, dass die Schweizer gefälligst auch das Nicht-so-Schmackhafte nehmen sollten. Oder hab ich da was falsch verstanden?