2010/11/19

Die ich rief, die Geister....

Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister, 
Werd´ ich nun nicht los. 

Führwahr, man könnte Goethes Zauberlehrling (neudeutsch: Zauberazubi; klingt aber leider nicht so gut) beneiden! Denn nachdem er sich selbstverschuldet in ein unkontrollierbares Schlamassel begeben hatte, das ihn zu verschlingen drohte, tauchte zu guter Letzt der wahre Meister auf, der die Dinge wieder ins Lot brachte.

Wahrscheinlich würden sich in unseren Tagen etliche Politiker auch einen derartigen Meister ersehnen, der in höchster Not auftaucht, um dräuendes Ungemach abzuwenden. Die Umweltpolitik, und hier besonders die sogenannte Klimaproblematik, liefert so manch anschauliches Beispiel dafür.

Es ist aber auch wirklich wie verhext. Da wird dem Volk jahrelang mit unverminderter Energie die Sache mit dem CO2 eingehämmert, das bekanntlich das größte Teufelszeug ist, seit die Erde zu rotieren begann, und das nichts weniger als ein ausgemachter Klimakiller (so etliche Schlagzeilen, nicht nur in der Boulevardpresse) ist, und schon beginnt sich eben dieses Volk so zu ängstigen, dass man ihm nicht einmal eine geniale Klimarettungsidee unterjubeln kann, ohne auf geharnischte Proteste zu stoßen, wie SpiegelOnline berichtet.

Was bisher geschah: Nachdem also besagtes Kohlendioxid (CO2 für die weniger bildungsfernen) als die Wurzel allen Klimaübels entlarvt war, machten sich schlaue Leute daran, sich zu überlegen, was man wohl mit dem CO2 machen könnte, das bei der Verstromung von Kohle anfällt. Eine Lösung war schnell gefunden: Man scheidet das entstandene Kohlendioxid ab und verstaut es irgendwo an einem sicheren Ort, am besten unterirdisch. Man könnte das Treibhausgas auch für praktische Zwecke nutzen, etwa zur effizienteren Ausbeutung von versiegenden Ölfeldern. Aber da es in Mitteleuropa, und insbesondere in Deutschland so wenige Ölfelder gibt, müsste man das gewonnene CO2 erst auf eine lange Reise schicken, und das ist kostspielig. Also lieber kraftwerksnah verbuddeln. Die entsprechende Technik ist unter dem Kürzel CCS (carbon capture and storage) bekannt.

Doch bevor man an ein richtiges Endlager denken kann, müssen einige Versuchsanlagen getestet werden. Und bereits hier beginnt der mündige Bürger aufzumucken. Er will es einfach nicht hinnehmen, dass in seiner unmittelbaren Umgebung etwas vergraben werden soll, dass dem Vernehmen nach zum schlimmsten gehört, was unser Planet zu bieten hat (ok, Atommüll ist noch schlimmer). Da hilft es auch nicht, wenn man von höchster Stelle mit dem guten Zweck argumentiert. Schließlich geht es um nichts weniger als die Rettung des Klimas! Ja man fasst es kaum: Da gibt es tatsächlich Mitbürger, die sich der umfassenden Klimarettung widersetzen! Dabei ist das unsere einzige Chance! Ansonsten ist das Klima rettungslos verloren!

Selbst Politiker der zweiten und dritten Kategorie springen mitlterweile auf den noch gar nicht rollenden Protestzug auf und drohen damit, ihr Veto einzulegen, falls in ihrem Hoheitsgebiet Versuche zur CCS stattfinden sollten. Schließlich geht es um Wählerstimmen. Wer hätte auch ahnen können, dass sich die CCS-Geschichte als ein derartiger Rohrkrepierer heraus stellt.

Doch nun zu den Fakten: Umweltschutzverbände, die die aufkeimende Ablehnung selbstredend unterstützen, haben nicht mehr zu bieten als das Schüren von Ängsten. Natürlich lässt sich kein konkretes Gefährdungsszenario untermauern, aber die sogenannten Restrisiken, so vage und winzig sie auch sein mögen, liefern hervorragende Propagandamunition. Und in der Tat: Welcher Amtsträger könnte schon mit absoluter Sicherheit ausschließen, dass das vergrabene CO2 nichts ins Grundwasser gelangt. Mit diesen Ängsten fängt man Menschen.

Dabei bedarf es keiner herbeiphantasierter Gefahrenquellen, um gegen CCS zu sein. Es gibt auch - kaum zu glauben - vernünftige und, wie ich meine, gewichtige Argumente gegen dieses Verfahren. Da sind zum einen die Kosten. Das Abscheiden, Transportieren und Lagern des Kohlendioxids kostet Geld, das über kurz oder lang die Konsumenten bezahlen müssen. Es ist ein zusätzlicher Aufwand, der über die normalen Kosten eines Kraftwerksbetriebes hinaus geht. Und dieser Aufwand wird sich irgendwo in Geldwerten niederschlagen. Höchstwahrscheinlich wird einfach der Preis für die Kilowattstunde entsprechend angehoben.

Das andere Argument gegen das CCS-Verfahren ist folgendes: Seit Jahrzehnten gibt es intensive Bemühungen, den Wirkungsgrad von Kohlekraftwerken zu erhöhen. Während der durchschnittliche Wirkungsgrad der deutschen Anlagen bei etwa 38% liegt, müssen sich Länder wie China mit etwa 23% begnügen. Mit dem Einsatz moderner Werkstoffe und fortschrittlicher Brennertechnik lässt sich der Wirkungsgrad auf Werte deutlich über 40% steigern. Der Aufwand hierfür ist jedoch enorm. Wenn man nun an ein solches hochgezüchtetes Kraftwerk eine CO2-Abscheidung anschließt, reduziert man zwangsläufig den Wirkungsgrad der gesamten Anlage. Es ist zwar nicht so, dass alle Effizienzsteigerungen der ersten Stufe durch die CCS-Anlage zunichte gemacht werden, aber eine spürbare Senkung des Wirkungsgrades ist in jedem Fall unvermeidbar. Es ist so, als würde man beim Bergsteigen mit jedem Schritt, den man höher kommt, ein kleines Stückchen zurück rutschen. Man kommt zwar voran, aber nur sehr mühsam.

Das sind die Argumente, die man sich durch den Kopf gehen lassen sollte, und nicht, ob vielleicht in 500 Jahren mit minimaler Wahrscheinlichkeit kohlensäurehaltiges Wasser aus der Leitung kommt. Aber es ist nun mal einfacher, sich vor potentiellen Gefahren zu ängstigen als eine nüchterne Abwegung von Sachargumenten durchzuführen.

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