2010/11/06

Nochmals Königliches aus Schweden

Wie gut, dass wir Spiegel-Online als moralischen Wegweiser in unserer verkommenen Zeit haben! Ein weiteres Mal geht man dort auf die jüngsten Skandalberichte über das schwedische Königshaus ein. Es wird dabei nichts weniger als das Ende eines royalen Spießertraums verkündet. Ein großes Wort! Was dann folgt, ist ein Meisterstück aus Medienklischees und Halbwissen.

Nicht dass ich irgend welche Sympathien mit Königshäusern hätte. Ob an der Spitze eines Staates ein König, Präsident oder ein anderer Lackaffe sitzt, ist mir in erster Näherung völlig egal. Ebenso ist es mir egal, ob dieser in seiner Jugendzeit oder später irgendwelche Nachtklubs besucht hat. Weniger egal ist mir hingegen, wie das Staatsoberhaupt sein Verhältnis zu anderen Staaten, etwa zu Diktaturen, gestaltet. Andererseits sind die meisten Staatsoberhäupter in unseren Tagen wenig mehr als geschniegelte Repräsentanten der politischen Impotenz. Die Machtfülle in ihren Händen ist in der Regel nicht der Rede wert, wenn man von wenigen Ausnahmen, etwa Frankreich oder die USA absieht.

Doch nun zu den zwei Punkten, die mir in diesem SpOn-Artikel besonders aufgefallen sind. Da ist zum einen die - ja, genau! - Nazi-Nummer, die in keiner, aber auch wirklich keiner Schmutzkübelkampagne fehlen darf. So erfahren wir von unserem fleißigen Schreiber gleichsam en passant, dass die königliche Familie seinerzeit Nazisympathien gehegt haben soll. Aber das ist sozusagen nur ein kleines Sahnehäubchen auf dem Weg zum eigentlichen Skandal, der irgendwo im Rotlichtmilieu angesiedelt ist.

Doch damit ist schon der erste Volltreffer gelandet. Denn wenn man mit Nazisympathien in Verbindung gebracht wird, dann ist man eigentlich schon unten durch. Zwar werden keine Fakten genannt, die diese Behauptung untermauern, aber das braucht es auch gar nicht. Allein der Verdacht genügt.

Nun soll es in den 1930er Jahren etliche Menschen außerhalb Deutschlands gegeben haben, die mit dem Naziregime sympathisiert haben. Und es darf als gewiss gelten, dass auch einige Schweden dabei waren. Nachdem man aber nicht in die Köpfe der Menschen hinein schauen kann, kann man derartige Sympathien eigentlich nur an Worten oder Taten messen. Und wenn wir uns an die Tatsachen halten, fällt auf, dass in Schweden im Jahre 1935 ein Eugenikgesetz in Kraft trat, das sich in der Tat in weiten Teilen an der Ideologie der Nazis orientierte. Behinderte Menschen sollten im Zuge dieses Gesetzes zwangssterilisiert werden, um ihre Fortpflanzung zu verhindern. Eingeführt wurde dieses Gesetz allerdings nicht vom König, sondern von der damals herrschenden sozialdemokratischen Partei. Hier waren also die eigentlichen Brüder im Geiste!

Als nun der Nazispuk nach zwölf (tausendjährigen) Jahren zu Ende ging und sich ganz Europa angewidert von den damit verbundenen Exzessen zeigte, da blieben die schwedischen Eugenikgesetze - weiterhin in Kraft. Und zwar bis 1975. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn eine Partei, die sich in Schweden bei jeder sich bietenden Gelegenheit als Vorkämpferin des Antifaschismus geriert, derartige Leichen im Keller hat. Das ist in der Tat gelebte Doppelmoral. Verglichen damit sind die angeblichen Nazisympathien des Königshauses eigentlich nur noch zum Lachen.

Ein zweiter Punkt fiel mir noch auf. Es dürfte niemanden vom Hocker reißen, wenn man feststellt, dass Politiker des öfteren nicht konkret auf irgendwelche Fragen antworten, sondern nur leeres Geschwätz absondern. Das ist sozusagen Allgemeinwissen und insofern nicht der Rede wert, wird auch von den Medien in den allermeisten Fällen problemlos akzeptiert. Doch plötzlich, wenn es um das königliche Oberhaupt der Schweden geht, soll alles anderes sein. Hier wird daraus der eigentliche Skandal. Zumindest wenn es nach den selbsternannten Hohepriestern der öffentlichen Moral geht. Man glaubt es kaum, ist doch der Monarch den Fragen der Journalisten eine klare Antwort schuldig geblieben. Das ist nun wirklich nicht hilfreich! Wir aber wollen das Ganze von der positiven Seite sehen: Vielleicht werden ja in Zukunft an alle übrigen Politiker dieselben Maßstäbe angelegt, zumindest wenn es um klare Antworten geht.

Wir warten schon gespannt darauf!

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