2011/08/22

Inflation und Skalierung

Inflation ist ein ökonomischer Begriff, der in jüngster Zeit häufig durch die Medien geistert. Stark vereinfacht und etwas sinnverzerrend könnte man sie als das Ansteigen der Preise für Waren aller Art bezeichnen. Otto Normalverbraucher sagt: "Alles wird teurer, und das nennt man dann Inflation".

Daran ist soviel richtig, als dass tatsächlich auf den Preisschildern von Tankstellen immer höhere Zahlen aufleuchten. Doch das ist natürlich nur die halbe Miete. Die andere Seite der Medaille ist die, dass über kurz oder lang auch die Zahlen auf Ottos Einnahmenseite höhere Werte annehmen.

Doch wie funktioniert das Ganze? Liegt es nur an der Raffgier der Großkonzerne, die unverschämter Weise die Preise erhöhen, und uns damit immer ärmer machen wollen? Oder gibt es andere Mechanismen, die den "Wert des Geldes" in die eine oder andere Richtung beeinflussen können?

Wir wollen uns das an einem einfachen Modell ansehen, das die wesentlichen Strukturen beleuchtet. Stellen wir uns eine simple Wirtschaft vor, in der die Menschen nur von Brot und Wein leben. Sowohl Wein als auch Brot müssen produziert werden und generieren damit einen Wirtschaftskreislauf.

Stellen wir uns weiter vor, dass die Bevölkerung unserer Modellwirtschaft stagniert und somit der tägliche Bedarf an Brot und Wein immer derselbe bleibt. Nehmen wir an, jeden Tag werden 1000 Brote gebacken und 1000 Liter Wein abgefüllt.

Wenn die Weinbauern Hunger haben, werden sie zum Bäcker gehen und ihm eine bestimmte Menge Wein für einen Laib Brot anbieten. Bei einem bestimmten Tauschwert (sagen wir_ ein Brot für einen Liter Wein) kommt das Geschäft zustande. Genau umgekehrt verhält es sich mit den durstigen Bäckern.

Nach einiger Zeit sinnen die Bürger unserer Modellwirtschaft auf eine Vereinfachung ihres Warenaustausches. Es ist schlichtweg zu umständlich, wenn man zum Broteinkauf ständig ein paar Flaschen Wein mitschleppen muss. Und so einigen sich die Leute darauf, eine Geldwährung einzuführen, die den Namen Teuro führen soll. Laut Beschluss der Bürgerversammlung sollen genau 2000 Teuro in Umlauf gebracht werden. Damit ist sichergestellt, dass jeder der gleichwertigen Gütereinheiten (1000 Liter Wein und 1000 Laibe Brot) genau ein Teuro entspricht. Der Weinbauer steckt also einen Teuro in die Hosentasche, wenn er zum Bäcker geht und einen Laib Brot kaufen will. Umgekehrt kostet ein Liter Wein ebenfalls genau einen Teuro.

Die Menge des Geldes wird also im Verhältnis 1:1 auf die Menge der Güter "abgebildet", wie man im mathematischen Jargon sagt. Diese Zuordnung "Geld gegen Güter" ist rein willkürlich und a priori nicht an irgend welche materiellen Werte geknüpft. Die Größe der Abbildung hängt einzig und allein von der Anzahl der verfügbaren Geldeinheiten und von der Anzahl der handelbaren Güter ab.

Angenommen, die Bürger hätten beschlossen, 20 000 Teuro in Umlauf zu setzen. Dann wäre der entsprechende Preis für einen Liter Wein bzw. einen Laib Brot eben 10 Teuro. Keinesfalls bedeutet das aber, dass Wein oder Brot jetzt teurer wären als im erstgenannten Fall. Wir verwenden lediglich eine andere Skala. Auf den faktischen Wert der Güter hat die Wahl der Skala keinen Einfluss. Denn nach wie vor entspricht der "Wert" von einem Liter Wein dem eines Brotlaibes. Das ist es, was man mit dem Begriff "Skalierung" bezeichnet.

Man kann sich die Skalierung an folgendem Beispiel verdeutlichen. Die Entfernung zwischen München und Hamburg beträgt rund 800 km. Das entspricht knapp 500 englischen Meilen oder etwas mehr als 100 preußischen Meilen. Kilometer, englische und preußische Meilen: Die Zahlenwerte für diese Längeneinheiten sind höchst unterschiedlich, an der faktischen Entfernung zwischen den beiden Städten ändern sie jedoch überhaupt nichts.

Genauso wie die Wahl eines Längenmaßes ist die Wahl einer Geldeinheit willkürlich und sagt zunächst nichts über den "wahren Wert" des Geldes aus. Erst durch die Zuordnung zwischen Geld und Gütereinheit entsteht entsteht für uns der Eindruck des "Wertes". Doch dieses Denken ist verhängnisvoll, weil es uns des öfteren in die Irre führt.

Beispiel gefällig? Bestimmt haben Sie im Fernsehen schon oft von armen Ländern gehört, wo die Menschen nicht mehr als einen Dollar pro Tag verdienen. Das ist natürlich schockierend wenig, aber im Grunde genommen vermag uns diese nackte Zahl nichts darüber zu sagen, wie es um die Lebensverhältnisse dieser Menschen tatsächlich bestellt ist. In diesem Zusammenhang ist es unabdingbar, etwas über das entsprechende Preisniveau zu sagen. Schließlich gehen diese Leute ja nicht bei uns in Mitteleuropa einkaufen, sondern in ihren Ländern. Man müsste also fairerweise dazu sagen, was beispielsweise ein Laib Brot kostet, wie hoch die Mieten sind etc. Mit anderen Worten: Wir wollen etwas über die Kaufkraft der Tagelöhner vor Ort erfahren und eben nicht über deren Kaufkraft in Deutschland.

Zusammenfassend stellen wir fest: Wenn sich die Geldmenge in einer Volkswirtschaft erhöht, dann werden den vorhandenen Gütern einfach höhere "Geldwerte" zugeordnet. Dies drückt sich wiederum in höheren Preisen aus und nennt sich dann Inflation. Aus der Sicht der Güter bedeutet das: Für den Erwerb eines bestimmten Gutes, z. B. eines Autos, muss heute eine größere Anzahl von Geldscheinen auf den Tisch gelegt werden als zu einem früheren Zeitpunkt. Das Auto ist "teurer" geworden. Aus der Sicht des Geldes sieht die Sache so aus: Für eine Geldeinheit (einen Teuro) bekommt man weniger "Warenwert" als früher.





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