2011/08/24

Alles Nazis

Haben wir uns doch schon immer gedacht, dass Schweden ein Hort der Nazis ist.

Gemeint sind natürlich nicht jene Nazisympathisanten mit nahöstlichem Migrationshintergrund, die bei gewaltsamen antisemitischen Demonstrationen schon mal lautstark bekunden, dass sie am liebsten dort weitermachen würden, wo ein anderer Obernazi vor knapp 70 Jahren aufhören musste. Von denen geht ja bekanntlich überhaupt keine Gefahr aus. Außerdem würde man sich sofort und reflexartig dem Vorwurf des Rassismus aussetzen, wagte man es, diese kulturbereichernden Elemente zu kritisieren.

Gemeint sind vielmehr jene, die eben nicht dafür bekannt sind, dass sie Kritik mit offener Gewalt beantworten. Kürzlich war wieder einmal die schwedische Königin Silvia (Jahrgang 1943) an der Reihe. Oder vielmehr ging es nicht um sie, sonder um ihren Vater und dessen Nazivergangenheit. Aber der Vater lebt schon lange nicht mehr, und deswegen geht es irgendwie ja doch um sie. Denn egal wie oft in seiner persönlichen Vita herumgeschnüffelt wird, er wird deswegen nicht öfter im Grab rotieren. Ganz offensichtlich geht es den schwedischen Medienleuten darum, einer Person, die am Ende des Zweiten Weltkrieges keine zwei Jahre alt war, am Zeug zu flicken.

Es versteht sich von selbst, dass sich für derlei Ambitionen vor allem jener Personenkreis eignet, der mit einem gewissen Bekanntheitsgrad gesegnet ist. Denn würde sich morgen herausstellen, dass Ole Gustavssons Vater ein Mitglied der schwedischen Nazibewegung SSS (Svensk Socialistisk Samling) war, so würde das sprichwörtlich keine Sau interessieren, da Ole als Lkw-Fahrer einfach viel zu wenig bekannt im Lande ist.

Ganz anders verhält es sich jedoch, sobald das Zielobjekt auf den Namen Ingvar Kamprad hört und als Lebenswerk die Schaffung der weltweit größten Möbelhauskette vorzuweisen hat. Da lohnt es sich doch, ein bisschen tiefer zu schürfen. Nun, dass Kamprad in jungen Jahren eine Schwäche für nazistisches Gedankengut hatte, ist inzwischen ein alter Hut. Nach neuesten "Erkenntnissen" jedoch war er nicht nur ein passives Mitglied, sondern sogar aktiv in der Bewegung.  Worin genau seine "Aktivität" im reifen Alter von 17 Jahren bestanden hat, wird indes nicht so klar. Die Rede ist davon, dass er neue Mitglieder rekrutiert haben soll. Und sonst? Ja richtig, er hatte auch persönlichen Kontakt zum Führer der SSS, Per Engdahl, und war sogar auf dessen Hochzeit.

Außerdem hat der schwedische Geheimdienst in jenen Jahren ein Auge auf ihn geworfen. Es wird zwar nicht ganz klar, was in den Geheimdienstakten über ihn steht, aber für einen medialen Aufreger reicht es allemal.

Fassen wir zusammen: Ingvar Kamprad war nach neuesten Recherchen "aktiver" in der schwedischen Nazibewegung als bisher angenommen. Nachdem wir aber nicht wissen, wie hoch sein "Aktivitätsgrad" vor den Erkenntnissen der schwedischen TV-Journalistin Elisabeth Åsbrink war, ist es für den Außenstehenden schwer, wenn nicht unmöglich zwischen mehr oder weniger aktiv zu unterscheiden. Derartige Nebulösitäten verwirren mehr als zu erhellen und hinterlassen bei genauerer Betrachtung einen schalen Nachgeschmack.

Eines scheint jedenfalls sicher. Kamprad war nicht Mitglied der Waffen-SS. Hierin unterscheidet er sich deutlich von anderen Berühmtheiten wie dem ein Jahr jüngeren Günter Grass, dessen einschlägige Verwicklungen längere Zeit völlig unbekannt geblieben waren. Doch während man bei Leuten wie Grass, der später in der SPD aktiv war, gerne von Jugendsünden sprach, gelte dies, so die Autorin, bei Kamprad ausdrücklich nicht. Eine stichhaltige Begründung für diese Ansicht bleibt die Autorin indes schuldig.

Es ist diese Art im Trüben zu fischen, die die ganze Geschichte etwas anrüchig macht. Anstatt überzeugender Fakten werden vage Vermutungen, die aber mit großer Überzeugung, vorgetragen. Will die TV-Journalistin nur ein bisschen Werbung für ihr neuestes Buch über den IKEA-Gründer machen? Oder geht es vielmehr nur darum, wieder einmal die altbewährte Nazikeule auszupacken?

Kürzlich befasste sich ein Blogeintrag mit der Macht der Medien, die anscheinend bereits der politischen Klasse schwer zu schaffen mache. Könnte es sein, dass sich faktisch dünn untermauerte Artikel wie jener über den schwedischen Unternehmer sehr gut in diese Sichtweise einfügen? Moralisieren als Dauertherapie, während man bei den wahren Problemen dezent weg sieht.

Die schwedischen Medien sind - genauso wie ihre europäischen Pendants - ziemlich linkslastig. Da kann es dann schon vorkommen, dass man gewisse Dinge einfach "übersieht". Wie zum Beispiel jenes 1935 unter einer sozialdemokratischen Regierung verabschiedete Eugenik-Gesetz, das die Sterilisation "geistig zurückgebliebener" Menschen vorsah. Dieses Gesetz wurde 1941 auf andere Personengruppen wie psychisch Kranke etc. ausgeweitet. Einer der geistigen Väter dieser Gesetzgebung war der sozialdemokratische Ökonom und spätere Nobelpreisträger Gunnar Myrdal. Das Sterilisationsprogramm dauerte immerhin noch bis 1976 und betraf fast 63 000 Menschen.

Es ist schon bezeichnend, wenn eine politische Gruppierung wie die SSS, die niemals eine eine größere gesellschaftliche Relevanz besaß, so viel mehr mediale Aufmerksamkeit erfährt als die offizielle Regierungspolitik jener Jahre, die man in einigen Punkten nur als Menschen verachtend bezeichnen kann. Dass derartiges Zufall ist, glaube, wer will.












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