Prognosen sind das Salz des Lebens. Sie sind entscheidend für unsere Planungen und somit letztlich auch für unsere gegenwärtigen und zukünftigen Handlungen. Man denke nur an die Prognosen zur Erderwärmung. Aus Vorhersagen, deren Sinnhaftigkeit erst in hundert Jahren beurteilt werden kann, werden Verhaltensmuster abgeleitet, die unser gegenwärtiges Leben betreffen.
Stellen Sie sich vor, ein anerkannter Finanzexperte prophezeite, der DAX liege in hundert Jahren bei 280000 Punkten. Würden Sie investieren? Zugegeben, wir werden das vielleicht nicht mehr erleben (es sei denn, die Lebenserwartung legt in den nächsten Jahrzehnten nochmals kräftig zu), aber für die Generation der Enkel könnte das immerhin interessant sein. Verglichen mit dem gegenwärtigen Stand des deutschen Aktienindex wäre das eine Wertsteigerung von etwa 8000 %. Nicht schlecht, selbst dann, wenn man eine moderate Inflation in Rechnung stellt und davon ausgeht, dass die Finanzpolitiker und andere Experten alles im Griff haben. Aber letzteres ist wohl etwas zuviel verlangt...
Nun bin ich der Meinung, dass Prognosen umso unseriöser werden, je länger sie in der Zukunft liegen. Wirklich ernst genommen werden können nur solche Prognosen, die in realistischen Zeiträumen überprüft werden können. Doch was ist realistisch? Grob gesagt, alles, was nicht über ein Menschenleben hinausreicht. Das sollte als erste Näherung genügen.
Nun könnte man einwenden, es gebe ja durchaus Dinge, die über noch längere Zeiträume hinweg genau vorhergesagt werden können. Sonnenfinsternisse zum Beispiel. Das ist richtig, widerspricht aber meiner These nicht im geringsten. Denn astronomische Ereignisse wie Sonnenfinsternisse gehorchen klaren wissenschaftlichen Gesetzen, die wir (zum Glück!) bereits vor einiger Zeit entdeckt haben. Wenn man diese naturwissenschaftlichen Gesetze richtig anwendet, kommt man zu einem eindeutigen Ergebnis. Und nicht nur das, denn jeder, der sich der Mühe unterzieht, diese Berechnungen durchzuführen, kommt zum selben Ergebnis.
Und genau hier liegt der Unterschied zu anderen Disziplinen wie den Wirtschaftswissenschaften. Auch wenn viele ihrer Erkenntnisse durchaus plausibel sind, so kann doch niemand ein ähnliches Maß an Gültigkeit wie von der Physik erwarten. Dies lässt sich schon daraus erkennen, das Vorhersagen verschiedener Wissenschaftler zum Teil erheblich voneinander abweichen. Von einer strengen Naturgesetzlichkeit sind wir hier sehr weit entfernt. Alles ist von Parametern abhängig, die wiederum von anderen Parametern abhängen, die wiederum etc. Kein Wunder, dass wir uns auf unsicherem Terrain befinden.
Ich habe mir kürzlich ein paar DAX-Prognosen für das Jahr 2009 angesehen. 19 Finanzexperten gaben ihre Vorhersage ab. Die Werte variierten zwischen 3300 und 7400 Punkten, eine ordentliche Spanne also. Der Mittelwert aller Prognosen lag bei 5239 Punkten. Am letzten Handelstag des Jahres 2009 notierte der DAX bei 5957 Punkten. Dies bedeutet, dass der obige Mittelwert um fast 14 Prozent unter dem tatsächlichen Wert lag.
Generell lässt sich sagen, dass die meisten Experten mit ihren Schätzungen unter dem wahren Wert lagen. Nur 4 von 19 Schätzungen lagen darüber. Die Experten haben also die Dynamik des Aktienmarktes signifikant unterschätzt. Fazit: die Fachleute lagen mit ihren Vorhersagen im konservativen Bereich, waren also nicht überoptimistisch. Das ist kein Wunder, zumal die Wunden der Finanzkrise des Jahres 2008 noch frisch waren. Das machte die Propheten vorsichtig.
Nur vier Prognosen lagen in einem Schwankungsbereich von +/- 5 Prozent um den wahren Wert. Das sind etwa 20 Prozent, also jede fünfte Schätzung.
Prognosen sind notwendig, sollten aber nicht überbewertet werden. Vor allem sollte nicht vergessen werden, dass sie nur in den seltensten Fällen genau mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Wenn man sich dies vor Augen hält, sieht man das ganze Vorhersagegeschäft wesentlich entspannter.
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