2013/07/25

Vom Umgang mit Zahlen (1)

Dies ist der erste Beitrag einer Serie, die sich mit vorwiegend statistischen Betrachtungen beschäftigt. Statistische Aussagen prasseln pausenlos auf die Menschen ein, und es ist hilfreich, ein bisschen Ordnung und Rationalität in das mediale, um Aufmerksamkeit ringende Zahlengewirr zu bringen.

Wenn Statistiken zu Missverständnissen und Fehldeutungen Anlass geben, dann liegt es in den allermeisten Fällen gar nicht an der stets vermuteten Fälschung, die bekanntlich jeder Statistik zugrunde liegen soll. Vielmehr wird bewusst oder unbewusst ein Kontext aufgebaut, der uns in die Irre leitet. Ein Kontext, der uns vermeintliche Sicherheit oder aber meistens vermeintliche Gefahren vorgaukelt, wo in der Tat kein Grund zur Besorgnis besteht.

Wir fangen mit einem einfachen Beispiel an. Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, dass - in der westlichen Welt -die Zahl der Menschen, die an Infektionskrankheiten sterben, in den letzten 200 Jahren dramatisch zurückgegangen ist. Das Risiko eines im 21. Jahrhundert geborenen Menschen an einer Infektionskrankheit zu verbleichen ist wesentlich geringer, als es für einen Menschen um 1815 war. Impfungen, verbesserte Hygiene und leistungsfähige Medikamente und Gesundheitssysteme sind die hauptsächlich Verantwortlichen für diesen positiven Trend.

Wir haben also - bildlich - gesprochen einen Teilerfolg über den (frühzeitigen) Tod erzielt. Doch gleichzeitig wird die andere Seite dieser Entwicklung sichtbar. Während Pest und Cholera uns nicht mehr wirklich beunruhigen, wartet der Tod an anderer Stelle. Krebs und Herzkreislauferkrankungen stellen für uns heute Lebenden die häufigsten Killer dar, denn wir können dem Schicksal nicht einfach von der Schippe springen. Während sich also das eine Risiko verringert hat, ist ein anderes (oder sind mehrere andere) angestiegen. So ist das nunmal, wenn die Gesamtwahrscheinlichkeit eines mit Bestimmtheit eintreffenden Ereignisses stets eins ist.

Als ich mich kürzlich mit einem Bekannten über dieses Thema unterhielt, wies er mich darauf hin, dass selbst in Afrika inzwischen der infektionsbedingte Tod im Abnehmen begriffen sei. Und er fügte hinzu: Dafür sterben sie (die Afrikaner) jetzt häufiger an westlichen Zivilisationskrankheiten. Aber sind es wirklich nur diese Zivilisationskrankheiten, die hier zum Tragen kommen? Oder ist es nicht vielmehr so, dass wir nur ein Tauschgeschäft machen, eine Art zu sterben gegen eine andere austauschen? Mir erscheint letzteres viel plausibler.

Wir haben ein Risiko minimiert, aber gleichzeitig - unbeabsichtigt - ein anderes vergrößert. Stellen Sie sich vor, sie müssten sich auf den Weg von New York nach Los Angeles machen. Egal, welches Fortbewegungsmittel Sie wählen, treffen Sie auch eine Entscheidung hinsichtlich eines bestimmten Risikos, dem Sie dann ausgesetzt sind. Wenn Sie mit dem Rad fahren, lauern andere Gefahren auf Sie, als wenn Sie mit Bus, Auto, Eisenbahn oder Flugzeug unterwegs sind.

So hat die verbreitete Angst vorm Fliegen in den Monaten nach 9/11 nachweislich zu einem Anstieg der Straßenverkehrstoten geführt. Diesem Anstieg wurde in den Medien jedoch nicht die gleiche Aufmerksamkeit zuteil, wie den dramatischen Ereignissen am 11. September 2001.

In diesem Szenario gibt es keine Win-Win-Situation. Was man auf der einen Seite gewinnt, verliert man auf der anderen. Umgekehrt wird natürlich auch ein Schuh draus. Angenommen, die Wissenschaft hat herausgefunden, dass aufgrund des heißen Sommerwetters das Hitzschlagrisiko deutlich zugenommen hat. Dann bedeutet das ja unweigerlich, dass gleichzeitig das Risiko an anderen Ursachen sein Leben auszuhauchen, gesunken ist, zumindest bis zum Ende der Hitzewelle. Ob das eine gute Nachricht ist, muss natürlich jeder für sich entscheiden.






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