2011/03/07

Der Anfang vom Ende

Die Kernbotschaft des Christentums lautet in etwa so: Ihr seid alle sündige und schwache Geschöpfe, und wenn ihr so weiter macht, kommt ihr direkt in die Hölle! Aber noch ist es Zeit umzukehren! Kehrt auf den Pfad der Tugend zurück, und ihr dürft das Leben noch ein bisschen länger genießen! Oder was man eben als genießen bezeichnen mag.

Würde ein Geistlicher heute so argumentieren, nähme ihn wohl kaum jemand ernst. Unser Leben hat viel von jener Transzendenz verloren, die früher ala völlig normal angesehen wurde. Das Leben ist, wenn man so will, irdischer geworden. Aber das Bedürfnis nach Transzendenz ist deswegen nicht verschwunden, auch wenn die Menschen nicht mehr an Höllenqualen oder Ähnliches glauben (gut, bei manchen sind es Jungfrauen; aber um die geht es hier nicht). Wo also ist sie geblieben? Nun, sie hat sich schlicht und einfach "verirdischt" und ist weitgehend in dem aufgegangen, was man in übersteigertem Sinn als ausgeprägtes Umweltbewusstsein bezeichnen kann. Dort herrscht dann nicht mehr die Furcht vor kleinen Teufelchen, die mit den sündigen Menschen alle möglichen Späße treiben. Vielmehr ist es die Furcht vor gravierenden Veränderungen auf Mutter Erde, die die Menschen umtreibt. Wenn diese Furcht dann Hunderte oder Tausende von Jahren voraus greift, also einen Zustand anvisiert, den heute beim besten Willen kein Mensch auch nur annähernd zu beschreiben imstande ist, dann ist die strukturelle Analogie zur oben angesprochenen Transzendenz durchaus gegeben.

Auf dieser Basis lässt sich dann das Bild mit den Sündern, die einfach nur auf den Pfad der Tugend zurückkehren müssen, genau so gut bei Fragen der Umweltpolitik anwenden. Diesmal würden die Menschen allerdings nicht mehr mitleidig über den Prediger lächeln, sondern sich blind auf die Seriosität der wissenschaftlichen Prognosen verlassen.

Die Einleitung zu einem Artikel auf Spiegel Online über ein Massensterben im Blitztempo erinnert sehr stark an diese Analogie. Das Titelbild erinnert in seiner drohenden Eindringlichkeit an Hieronymus Bosch und dessen Höllenfantasien. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Worum geht es? Nun, die Welt steht - wieder einmal - vor dem Untergang! Diesmal aber endgültig!

In a nutshell: Wenn wir so sündig weiter machen wie bisher, werden - in Atem beraubendem Tempo, versteht sich - schon bald alle Tierarten von diesem Planeten verschwunden sein! Und alles durch unsere Schuld! Nostra culpa! Man sieht schon förmlich, wie das letzte Exemplar jeder Spezies sich gramgebeugt von der Erde verabschiedet, mit vorwurfsvollem Blick auf den einzigen Übeltäter - homo sapiens!

Aber noch ist es nicht zu spät! Kehrt um von Eurem sündigen Treiben, tut Buße und gelobt Besserung! Dann wird alles wieder gut!

Man fragt sich, ob die moderne Wissenschaft wirklich diesen ständigen Hype braucht, um Aufmerksamkeit zu erlangen, um es irgendwie in die Medien zu schaffen. Wie immer, wenn man im Reich der Forschung nicht genau weiß, was man zu erwarten hat, werden verschiedene Szenarien durchgerechnet. Szenarien? Ja richtig, solche gab es schon bei der Vogelgrippe, der Schweinegrippe, SARS und anderen Plagen, wobei jeweils Zehntausende, ja sogar Hunderttausende Tote prognostiziert wurden, und zwar für die nahe Zukunft, also für Zeiträume von einigen Monaten bzw. Jahren. Angesichts solcher Szenarien wurde im Fall der Schweinegrippe von etlichen Staaten eifrig Impfstoff eingekauft, der dann zu großen Teilen ungenutzt entsorgt werden musste. Ein gutes Geschäft für die Produzenten.

Jetzt also das Artensterben, zum x-ten Mal. Fairerweise erwähnen die Autoren der unterschiedlichen Szenarien eine Reihe von Unsicherheiten, die ihren Rechnungen zugrunde liegen. Eine davon ist die Kürze des Beobachtungszeitraums. Es ist also so, als würde man drei Jahre lang jeweils eine Erhöhung des Temperatur des Mittelmeeres von, sagen wir, 0,1 Grad messen und daraus den Zeitpunkt extrapolieren, ab dem das Mittelmeer so heiß ist, dass man darin Eier kochen kann.

Wenn man verschiedene Szenarien betrachten muss, bedeutet das, dass man im Grunde genommen keine Ahnung hat, was konkret eintreffen wird. Von so etwas wie einer wissenschaftlichen Theorie sind wir hier meilenweit entfernt. Es ist so, als würden Sie zu Ihrem Bankberater gehen und ihn fragen, wie Sie Ihr Geld anlegen sollen. Wahrscheinlich würde er Ihnen ebenfalls mehrere Szenarien vorlegen, von denen Sie sich dann eines aussuchen können. Niemand würde dieses Vorgehen als wissenschaftlich bezeichnen. Würden Sie jemandem glauben, der Ihnen sagt, er könne die Börsenkurse für die nächsten hundert Jahre vorausberechnen? Na also.

1 comment:

  1. Ach, der Spiegel .... »Die ganze Woche« für Halbgebildete!

    Der hat in den späten 80er-Jahren allein für Berlin für das Jahr 2000 hunderttausend AIDS-Tote verhergesagt. Sind mir aber irgendwie nicht aufgefallen, damals ...

    Und davor das große Waldsterben (mit einer ebenso gelungen anzusehenden wie inhaltlich grenzdebilen Haitzinger-Karikatur, wenn ich mich richtig erinnere).

    Wer den Spiegel noch ernstnimmt, ist selber schuld. Unser Problem ist nur: es nehmen ihn noch immer viele ernst. Und sowas kann in einer Demokratie tödlich werden.

    Dagegen hilft nur: Aufklärung, kritische Hinterfragung dieser ganzn Kampagnen — und dank Internet haben wir mittlerweile wenigstens eine kleine Chance, daß dieses in selbstgefälliger Präpotenz (aber sonst schon gar nichts!) exzellierende Intellektuellen-Klopapier zu enttarnen.

    ReplyDelete