1986 war ein bemerkenswertes Jahr in Österreich. Zwei politische Gestalten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, betraten die Szene.
Kurt Waldheim, ehemaliger UN-Generalsekretär und diplomatisches Aushängeschild der Alpenrepublik, bewarb sich um das Amt des Bundespräsidenten. Und seine Chancen standen gut, wesentlich besser als die seines sozialistischen Konkurrenten. Damit wurde an ein Tabu gerührt. Seit dem Ende des 2. Weltkrieges hatte es in Österreich ausschließlich "rote" Präsidenten gegeben. Diese typisch österreichische Farbenlogik stand nunmehr auf dem Spiel. Es musste etwas getan werden, um Waldheims Wahlchancen zu mindern.
Die SP hatte eine Idee: die Kriegsjahre sollten Material liefern und Waldheim als Nazi, zumindest aber als Nazisympathisant präsentieren. Was folgte, war ein unwürdiges Schauspiel, wie man es in Österreich selten zuvor gesehen hatte. Immer wieder wurde die Nazikeule geschwungen und Waldheim während seiner Militärzeit mit Kriegsverbrechen in Verbindung gebracht. Auch das Ausland wurde erfolgreich instrumentalisiert. Die USA sprachen ein Einreiseverbot gegen den ehemaligen Chefdiplomaten aus. Obwohl eine Historikerkommission eindeutig feststellte, dass Waldheim keine direkte Verwicklungen in Kriegsverbrechen auf dem Balkan hatte, war er, auch nach seinem Wahlsieg, politisch erledigt. Im Gegensatz zu allen Präsidenten vor ihm bewarb er sich kein zweites Mal um die Präsidentschaft.
Ich erinnere mich noch gut an die damaligen Verhältnisse. Dass Waldheim nach der vorangegangenen Schmutzkampagne überhaupt die Wahl gewinnen konnte, geht weniger auf sein persönliches Engagement zurück, als vielmehr auf den Einsatz seiner Wahlhelfer. Er selbst vermittelte während dieser ganzen Hetze einen durch und durch hilflosen Eindruck. Der altgediente Diplomat war dem politischen Ränkespiel einfach nicht gewachsen. Waldheim war pausenlos in der Defensive und hätte durch sein ungeschicktes Krisenmanagement beinahe die Träume seiner Herausforderer wahr gemacht.
Es ist sicherlich richtig, wenn hinterher gesagt wurde, die Österreicher hätten Waldheim aus Trotz (Jetzt erst recht!) gewählt. Denn der Kandidat hat selbst so gut wie nichts dazu beigetragen, die Wähler hinter sich zu scharen. Und ein Präsident, der eher aus Mitleid und Trotz denn aus Überzeugungskraft gewählt wird, ist einfach angeschlagen.
Der Zufall wollte es, dass im gleich Jahr ein anderer Politiker die Bühne betrat, der Österreichs politische Landschaft grundlegend verändern sollte: Jörg Haider. Haider war zwar, wie oft von seinen Gegner behauptet, kein Nazi, er hatte aber mit einschlägigen Kreisen auch keine Berührungsängste. Auch Haiders Aufstieg war, wie seinerzeit Waldheims Kandidatur, ein Angriff auf die rote Reichshälfte. Was wunder, dass seine (vor allem) sozialistischen Gegner alles versuchten, um ihn zu Fall zu bringen. Wie immer, wenn es um das Selbstverständnis der Österreicher geht, wurde das Ausland bemüht. Es wurde, durchaus erfolgreich, der Eindruck vermittelt, in Österreich seinen schon wieder SA-Horden auf dem Vormarsch. Österreich wurde im Ausland vielfach als ein Hort de Nazismus wahrgenommen. Nichts war weiter von der Realität entfernt als das. Aber Realitäten interessieren Medienkonsumenten in anderer Herren Länder herzlich wenig.
Gleichwohl, mit jedem Angriff gegen ihn wurde Haider stärker. Von Wahl zu Wahl wuchs seine Anhängerschaft. Er trat den Attacken seiner Gegner aktiv entgegen, ja des öfteren war er selbst der Angreifer, der das Establishment herausforderte. Haider ließ sich das Gesetz des Handelns nicht aus der Hand nehmen. Man hatte nie den Eindruck, er sei angeschlagen oder gar politisch erledigt.
Pikanterweise warf er sich auf dem Zenit seines Politikerlebens gleichsam selbst aus dem Sattel. Was seine Gegner nicht zustande brachten, war ihm selbst vorbehalten: sich ins politische Aus zu manövrieren. Aber das ist eine andere Geschichte.
Das aus meiner Sicht Entscheidende an diesen beiden Gestalten ist die Art und Weise sie sie sich einem feindlichen Umfeld gegenüber verhalten haben. Der eine passiv, hilflos, völlig überfordert, Mitleid erweckend. Der andere aggressiv, herausfordernd, das Geschehen weitgehend kontrollierend.
Und genau hier liegt der Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg.
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