2012/01/31

Ein Liebling der Medien ist der nicht

...der neue, designierte Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Schwedens, Stefan Löfven. Dafür ist er wohl viel zu sehr down-to-earth. Besonders charismatisch ist er auch nicht, der Chef der Metallergewerkschaft, der nunmehr die Parteigeschicke leiten soll. Dafür kennt er - im Unterschied zu etlichen sozialdemokratischen Parteiführerkollegen (Österreich, Deutschland, ...) - das Arbeitsleben aus erster Hand. Gut, heutzutage ist das keine Referenz mehr, aber wenigstens weiß er, wovon er spricht.

Als Parteiführer war er nicht erste Wahl. Aber nach dem Abgang seines Vorgängers Håkan Juholt wollte kein anderer die Kohlen aus dem Feuer holen, zumal die einst stolze Partei in Umfragen weit hinter den regierenden Moderaten liegt. Die Medien des Landes berichten zwar pflichteifrig über das Geschehen an der Parteispitze, aber verglichen mit dem medialen Feuerwerk, mit dem Juholt auf den Thron gehievt wurde, läuft doch alles wenigstens eine, wenn nicht sogar zwei Stufen ruhiger.

Als Juholt vor knapp einem Jahr die Führung der Partei übernahm, überschlugen sich die Medien, allen voran das schwedische Fernsehen SVT, mit einer ausufernden Berichterstattung. Tagelang beherrschte Juholt die Hauptnachrichtensendung, die an einigen Tagen zu über 50% allein ihm gewidmet war, während die Regierungsarbeit nur in homöopatischen Dosen, also so gut wie gar nicht, abgehandelt wurde. Als eine seiner wesentlichen Stärken wurde damals hervorgehoben, Juholt sei ein begnadeter Debattierer, was wohl im Klartext nichts anderes heißt, als dass er gerne und zu jedem Thema heiße Luft verströmt. Und nicht nur das: er konnte auch mühelos seine Meinung um 180 Grad drehen (einmal gegen den Libyen-Einsatz der schwedischen Luftwaffe, dann wieder dafür). Als der dann auch noch "vergaß" eine Wohnungsbeihilfe von über 160000 SEK (also etwa 18000 EUR), die er unrechtmäßig erhalten haben soll, zu deklarieren, begann sein Stern zu sinken. Zwar wurde noch eine "Sorry"-Werbetour gefahren, aber irgendwann war einfach klar, dass mit Juholt die Partei nicht auf Siegeszug gehen können würde. So schmiss er eben vor ein paar Tagen alles hin, und die Partei musste sich auf die Suche nach einer neuen Leitfigur machen.

Nachdem einige andere Kandidaten keine Luft auf diesen Schleudersitz hatten, wurde relativ schnell klar, dass Löfven übernehmen würde. Warum genießt er nicht in dem Maße das Vertrauen der Medien wie sein glückloser Vorgänger? Die Antwort auf diese Fragen besteht aus zwei Teilen. Erstens ist Löfven kein erklärter Verfechter einer unbedingten Gleichstellung von Mann und Frau. Damit rührte er natürlich an ein geheiligtes Tabu, besonders unter Sozialdemokraten. Zweitens, und das ist bestimmt noch wichtiger, ist Löfven ein bekennender Befürworter der Kernenergie. Schweden bezieht etwa 30% seiner Elektrizität aus Kernkraftwerken, und es sieht nicht so aus, als würde man die so ohne weiteres abschalten können (das ist nur in Deutschland möglich). Das weiß auch Löfven, und er weiß ebenso, dass Schweden jede verfügbare Energiequelle benötigt, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Natürlich ist auch die Einstellung zur Kernkraft ein sozialdemokratisches Sakrileg, der nukleare Ausstieg einst von den Genossen beschlossen und somit unverrückbarer Bestandteil der Parteilinie. Der Vorsitzende ist also ein Abweichler, was von den Kommentatoren auch sogleich aufgegriffen wurde. Kann man so einen wirklich an die Spitze lassen? Löfven ist Politiker genug, um seinen innerparteilichen Gegner nicht noch mehr Angriffsflächen zu bieten. Also hat er, als seine Pro-Atom-Einstellung ruchbar wurde, sein Bekenntnis etwas abgeschwächt. Natürlich sei auch er für den Ausstieg aus der Atomenergie, aber nur wenn dabei keine Arbeitsplätze verloren gingen.

Das ist ein geschickter Schachzug. Denn es ist klar, dass mit jeder Abschaltung eines Reaktorblocks die Wettbewerbsfähigkeit des Landes geschwächt würde. Und ein Schweden ganz ohne Kernenergie ist auf absehbare Zeit, also in den nächsten zehn, zwanzig Jahren, so gut wie unvorstellbar. Und was dann ist, weiß ohnehin keiner.

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