2011/04/18

Prognostische Meisterleistung

Prognosen sind für unser Leben von enormer Bedeutung. Sie stellen eine entscheidende Grundlage dar für unsere Planungen und Entscheidungen. Oder würde irgend jemand ein Haus bauen, wenn er wüsste, dass er schon bald seinen Job verlieren und dann den Rest seines Lebens arbeitslos sein würde? Schwerlich.

Im Allgemeinen gilt: Je langfristiger eine Prognose ist, umso schwieriger wird es, ihr punktgenaues Eintreffen zu erleben. Das fängt schon beim Wetterbericht an und setzt sich bis zur Lebensversicherung fort, die auch oft nicht das liefert, was man bei der Unterschrift erwartet hätte.

Aber seien wir ehrlich: Wer von uns weiß wirklich, wie die Welt in 30 Jahren aussehen wird? Selbst Experten liegen hier regelmäßig meilenweit daneben. Hat irgend jemand anno 2010 die gegenwärtigen arabischen Unruhen vorhergesagt? Andererseits wurden von offiziellen Stellen häufig Prognosen zu Epi- oder Pandemien (SARS, Vogelgrippe, Schweinegrippe etc.) abgegeben, die sich (zum Glück) nicht bewahrheitet haben.

Eine seriöse Prognose beinhaltet zwei Faktoren, die untrennbar miteinander verbunden sind: Zeitpunkt und Größe eines zu erwartenden Ereignisses. Klassisches Beispiel: Am Beginn eines Jahres werden Vorhersagen über den Stand des Aktienindex DAX am Ende desselben Jahres abgegeben. Hier sind beide Faktoren gegeben: einerseits der Zeitpunkt, auf den sich die Prognose bezieht, und andererseits der Wert, den der DAX zu diesem Zeitpunkt haben soll. Solche Prognosen nenne ich seriös, auch wenn sie sich letztlich als falsch herausstellen sollten. Seriös bedeutet also, dass die Vorhersage einem echten Test unterzogen werden kann. Zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft kann ich also feststellen, ob die Prognose zutreffend war oder nicht. Alles andere ist Larifari.

Erinnern Sie sich noch an all die "Experten", von denen es heißt, sie hätten die Wirtschaftskrise des Jahres 2008 vorhergesehen? Natürlich war es im Vorfeld vielen klar, dass das US Finanzsystem eines Tages abstürzen würde. Dieses Bauchgefühl hatten wohl die meisten. Was aber zählt sind Fakten. Und genau daran hapert es. Keiner dieser Experten konnte den Zeitpunkt oder das genaue Ausmaß der Wirtschaftskrise vorhersagen! Dass es zu einem Crash kommen würde, war allen klar. Aber die Frage ist: wann? Dass die Wirtschaft abstürzen würde, war vorhersehbar. Aber die Frage ist: um wie viel?

Natürlich ist es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, diese Parameter in einem hochgradig komplexen Umfeld in den Griff zu bekommen. Keine Frage. Selbst die Vorhersage von relativ einfachen Dingen wie dem Wirtschaftswachstum in Zeiten einer ruhigen Konjunkturentwicklung ist notorisch unzuverlässig. Um wie viel schwieriger ist es dann, Turbulenzen im Vorfeld erfolgreich zu erfassen.

Prognosen sind aber leider nicht nur der Ausfluss rein objektiver Analysen aufgrund der bestehenden Datenlage. Oft, um nicht zu sagen: allzu oft, fließen auch andere Interessen ein, weil man sich von der Prognose einen Lenkungseffekt erwartet. Ich habe den begründeten Verdacht, dass vor allem Prognosen politischer Instanzen unter diese Kategorie fallen. Motto: Es ist ja nur gut gemeint! So werden etwa häufig die wirtschaftlichen Aussichten von den Regierungen etwas rosiger gemalt als von unabhängigen Instituten, weil man auf einen psychologischen Bonus hofft. Aber auch das Umgekehrte ist denkbar, wie man an den Klimahorrorszenarien erkennen kann, die regelmäßig aus Politikermund zu vernehmen sind. Hier wird eine Lage bewusst negativ überzeichnet, um die Leute auf Linie zu bringen. Oder glaubt man wirklich, dass auch nur irgend einer der jetzt Lebenden weiß, wie die Welt in 100 Jahren beschaffen sein wird? Wer so etwas behauptet ist eher ein Scharlatan als ein Wissenschaftler.

Ein wunderschönes Beispiel für eine Prognose, die ganz offensichtlich von Interessen geleitet war, ist folgende:  2005 prognostizierten die Vereinten Nationen einen gewaltigen Flüchtlingsstrom, der bis 2010 auf 50 Millionen Menschen anschwellen sollte. Der Grund: die Klimaerwärmung! Tatsächlich erweist sich jetzt, nach Ablauf der Vorhersageperiode, dass nichts von dem eingetroffen ist. Die Klimaflüchtlinge warten wohl immer noch auf eine entsprechende Wetteränderung! Vielleicht liegt es ja auch nur an der äußerst geringen Sonnenaktivität der letzten Jahre, die mit dem ungewöhnlich langen Sonnenfleckenminimum zusammenhängt, das wir gerade durchlaufen haben. Aber wer hätte das bei den Vereinten Nationen schon vorhersehen können?

Bei all der Häme, die einem jetzt unter den Nägeln brennt, sollten wir aber für diese Prognose dankbar sein. Denn sie lieferte uns klare Kriterien zur Verifikation bzw. Falsifikation, und zwar innerhalb eines Zeitraums, der leicht zu überblicken ist. Und so war es möglich, dieses Horrorszenario dorthin zu befördern, wo es hingehört: auf den Müllhaufen der Prognostik!

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